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nach dem nordischen Glauben eine Zauber-
kraft, die Rausch heilt (Hav. 137), die allem
Zauber besondere Wirksamkeit verleiht
(Guð. kv. II 21), die Klugheit und Stärke
gibt (Hyndl. 43). Kranke werden daher auf
den Erdboden gelegt, damit sie genesen.
Auch das neugeborene Kind bekommt erst
dann Lebenskraft, wenn es mit der Erde in
Berührung gekommen ist. Wie in heidni-
scher Zeit in Skandinavien, ist es daher in
verschiedenen Gegenden germanischer Län-
der noch heute Sitte, daß die Kinder gleich
nach der Geburt auf den Erdboden gelegt
werden.

§ 5. Als Mutter alles Lebens kommen
aus der Erde die Seelen der Kinder und
kehren nach dem Tode die Seelen der Men-
schen in sie zurück. Alles, was mit dem Innern
der Erde in Verbindung steht, bringt
noch heute im Volksglauben die Kinder-
seele. In erster Linie sind es Gewässer,
Quellen, Brunnen, Teiche, aus denen die
Kinder kommen. Daher die zahlreichen
Kinderbrunnen, Kinderteiche, die sich fast
überall in Deutschland finden (vgl. Wein-
hold, Die Verehrung der Quellen S. 26 ff.).
In Nordwestdeutschland werden die Kinder
aus den Mooren, am Seegestade aus den
Dünen gebracht (Am Urquell 4, 225). An-
dernorts kommen sie aus hohlen Bäumen,
besonders aus Eichen, Buchen, Weiden,
weshalb diese Bäume für heilig gehalten
werden (ebd. 4, 224; 5, 162 u. öft.); auch
aus Krautköpfen. Endlich läßt man sie vor
der Geburt auch in Felsen, Berghöhlen oder
Steinen weilen, die aus dem Erdboden her-
vorragen (Am Urquell 5, 162). Und wie
die Menschen aus der M. E. hervorgehen,
SO kehren sie auch in diese zurück.
Daher pflegt man noch jetzt schwerkranke
Leute, die dem Tode nahe sind, auf die
Erde zu legen, damit sie leichter sterben
können, eine Sitte, die über die ganze Erde
verbreitet ist (Arch. f. RW. 9, 538; 10,
158; 11, 151; ZdVfVk. 11, 221).

§ 6. In dem Glauben, daß die Erde die
Mutter der Menschen ist, wurzelt auch
der in nordischen Quellen häufig begeg-
nende Blutsbrüderbund, das fóstbræðralag
oder ganga undir jarðarmen. Zwei Ge-
nossen, die diesen Bund eingehen, schneiden
einen Streifen Rasen aus der Erde, wölben
die ausgeschnittenen Rasenstücke, gehen

dann gemeinsam unter die Wölbung, ver-
wunden sich hier, mischen das Blut mit
Erde, genießen gemeinsam von
Mischung und schwören dann den Eid auf
dauernde Verbindung. Von dieser Zeit an
sind sie wie zwei Blutsbrüder eng anein-
ander gebunden; jeder hat die Pflicht, den
andern zu schirmen, zu rächen, wenn dieser
durch Mord gefallen ist, er beerbt ihn
nach seinem Tode. Als Freunde gehen
diese zwei unter den Rasen, hier werden sie
neu geboren, und als Zwillingsbrüder kom-
men sie aus ihm hervor (vgl. Pappenheim,
Die altdän. Schutzgilden 21 ff.; ZfdPh. 24,
157; Nyerup, Dania 1, 25; Valtýr Guð-
mundsson, priär ritgjörðir 29 ff. Hammar-
stedt, Fataburen 1908, 220 ff.). Diese
Auffassung von der Vereinigung durch die
Erde, die noch heute zahlreichen Natur-
völkern eigen ist (vgl. Robinsohn, Psycho-
logie der Naturvölker 20 ff.), ist sicher auch
bei den südgermanischen Stämmen hei-
misch gewesen, wofür schon die Tatsache
spricht, daß der ausgeschnittene Rasen bei
Verträgen und Eiden in altdeutscher Zeit
eine hervorragende Rolle gespielt hat (vgl.
Grimm RA.4 I154 ff. Rochholz D. Brauch
I 52 f.

A. Dieterich Mutter Erde (1905).

E. Mogk.

Erle (Alnus). § 1. Für die E. haben die
germanischen Sprachen mit den baltisch
slawischen und dem Latein einen alten idg.
Namen gemeinsam. Germ. Sprachen:
ahd. erila durch Metathese aus älterem
elira swf., mhd. nhd. erle f.; and. *elira,
elora swf. (Gallée Vorstud. 54. 419), mnd.
elre, ellern, else f., nnd. eller f.; mndl. else,
nndl. els (aber elzenhout mit ), dial. eller;
afries. jelren Adj. ‘aus Erlenholz'; ae. alor,
aler, alr m., me. alder, aller, ne. alder; anord.
qlr m., elrir m. und elri n., norw. older,
schwed. alträd, dial. alder, ålder, dän. elle;
got. *alisa f., erhalten in span. alisa ‘Erle'.
Germ. Grundf. *alizōn, *alisōn swf. und
*aluzaz m. Am nächsten verwandt ist
die s 1 a w. Sippe: kslaw. jelicha ‘Erle', russ.
ólichá, bulg. jelhá, poln. olcha 'Erle'. Idg.
Grdf. *alisā, woraus urslaw. teils *alicka,
teils *jālīcha; ersteres ergab *olicha, letzte-
res *jelicha (Berneker EWb. sv. jelicha.

-

Weiter die balt. Namen der Erle: lit.
elksnis, alksnis, lett. elksnis, alksnis, nach

Berneker aus *alisnis mit Synkope und Einschub von k vor s; apreuß. alskande. Endlich lat. alnus 'Erle' aus *alsnus, idg. *alsnos oder vielleicht *alisnos (Walde EWb. sv.; Berneker aaO.).

Über andere idg. Erlennamen s. Lidén IF. 18, 485 f.

§ 2. Die Erle tritt häufig in alten Ortsund Flurnamen auf und spielte auch in der Volksmedizin eine Rolle (s. die Belege aus dem ags. Arzneibuch bei Cockayne Leechd. 3, 312).

Über die Geschichte und frühere Verbreitung der Erle in Mittel- und Nordeuropa s. Hoops Waldbäume u. Kulturpflanzen 27f. 46f. 49. 52. 72-74. 77. 83. 86f. 153. 156. 230. 255; mit weiterer Lit.

Johannes Hoops.

Ermenrich, der Ostgotenkönig Ermanaricus, † 375, ist eine der ältesten germ. Sagengestalten. In der ae. wie der eddischen Dichtung und wieder im hd. Epos ragt er auf. Durch ein Jahrtausend können wir sein Sagenbild verfolgen. § 1. E. spielt in mehreren selbständigen Fabeln. Die älteste, die got. Kernsage von E., ist:

A. Die Svanhildsage, die Dichtung von E.s Tod. Der Bericht des Zeitgenossen Ammianus ermöglicht uns, Jordanes' Erzählung in c. 24, eine offenkundige, wenn auch geschichtlich zugestutzte Heldensage, an dem wahren Hergang zu messen. Die Hunnengefahr und den Selbstmord E.s, das weltgeschichtlich und das menschlich Einzigartige, hat die Dichtung übergangen: der Herrscher fällt als Opfer einer Schwesterrache. Er hat 'Sunilda', deren Gatte von ihm abfiel, von Pferden zerreißen lassen; ihre Brüder Sarus und Ammius bringen ihm eine tödliche Wunde bei. Daß tam vulneris dolor quam etiam Hunnorum incur siones den Tod bewirken, ist ein Zugeständnis Jord.s an die Historie. Auch ohne dies ist der Gang verhältnismäßig politisch, indem der Abfall eines Vassallen (aus dem Hofgefolge?) die Fehde erregt. Dahinter dürfte ein Stück Wirklichkeit stehen. 'Sunilda' ist doch wohl entstellt aus Svan-: ahd. Suanailta kann nur Swăna- sein, und *Sōnhild 'Sühnhild' als sinnvoller Name ist nicht begründet. Da Jordanes keineswegs erschöpfend erzählt, ist damit zu rechnen,

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daß manche Züge der späteren Quellen schon altgotisch waren.

§ 2. Unsere Sage drang, vielleicht von den Ostgoten Italiens, nordwärts: zu Baiern, Alemannen und weiter zu Angelsachsen und Skandinaviern. Schon die nächstälteste Quelle, der Wids., zeigt, daß sich neue Dichtung an E. gesetzt hatte. Die Svanhildsage selbst hat in England keine unzweideutigen, in Deutschland nur wirre Spuren hinterlassen. Die Heldin erscheint nur als Privatname. Die Chroniken, die von den Brüdern Hemidus und Serila, Hamidiech und Sarelo wissen und (Quedl. Ann. c. 1000) den E. 'amputatis manibus et pedibus' sterben lassen, haben das ganze Motiv der Schwesterrache verloren. Ebenso das nd. Lied Ermenrikes Dot (16. Jh.), das doch, nach Ausweis der eddischen Hamðismál, Grundriß und Einzelheiten eines alten Hamadeoliedes auffallend zäh bewahrt hat. Von der Hinrichtung durch Rosse mag ein verflogener Rest in Ps. c. 280 stecken. Die gesamten mhd. Epen kennen keine Ermordung E.s mehr; s. u. C.

§3. Reich fließt dagegen die norw. -isl. Überlieferung (auch Saxo S. 412-15 hat bis auf eine Einzelheit isl. Quelle). Hauptdenkmal sind die Hamðismál, die in der nordischen E.-Tradition eine Stellung einnehmen wie die Atlakviða für die Burgundensage. Bewahrt sind: die Namen Gotar, Iqrmunrekkr, Svanhildr, Hamdir, Sorli; die Zerstampfung (so) durch Rosse, die Schwesterrache der zwei Brüder, die dem König Arme und Beine abhauen. Weiterhin darf man diese bei Jordanes fehlenden Züge der got. Ursage zuschreiben. Die Brüder finden durch E.s Gefolge den Tod. Sie haben eisengefeite Rüstungen: erst den Steinwürfen der Goten erliegen sie. Die Ursprünglichkeit dieses Motivs folgt daraus, daß die Namen beider Helden auf die Rüstung zielen (hama-, sarwa-): ein klarer Fall sinnvoller Namengebung. War die verbesserte, unverwundbar scheinende Eisenbrünne geradezu der Keim der beiden Gestalten (Detter-Heinzel)? - §4. Ein mindestens vornordischer Zug ist dieser: H. und S. erschlagen unterwegs den dritten Bruder, Erpr; da ihnen seine Hilfe nun mangelt, behält der verstümmelte König den Kopf und kann den verderblichen Befehl zur

Steinigung aussprechen. Daher Hamðis Ruf: Ab wäre jetzt der Kopf, wenn Erp lebte! Die Übereinstimmung des nd. Liedes Str. 5. 6 mit Hamð. 22 sichert diesen Dritten für die deutsche Quelle. Möglich, daß er schon in der Ursage stand. Durch ihn erhielt das gehemmte Vorgehn der Rächer, die auffällige Verstümmelung, nicht Tötung, des Feindes den tieferen Sinn und der endliche Untergang der Gefeiten einen ethisch-tragischen Hintergrund. Vereinen ließe sich damit, daß Erpr 'der Braune' (iarpskammr 'der braune Knirps' benannt) auf den Attilasohn Ellac zurückgeht, der a. 454 in der Schlacht gegen die Goten fiel. Im Motiv ist freilich keine Ähnlichkeit, da ja Erp nicht gegen die Goten kämpft. Die Entlehnung müßte sehr alt sein, da die sonstige Sagendichtung den Tod der Attilasöhne ganz anders behandelt hat (vgl. Attila), und Erps Stellung zu Attila hätte die Sage von Anfang an preisgeben müssen, da Erp ja notwendig der Bruder von Ham. und Sar. ist, diese aber niemals zu Attilas Söhnen gemacht wurden.

§ 5. Die Haupt abweichung von Jordanes ist diese: Svanhild ist E.s Gattin; sie wird hingerichtet, weil sie mit ihrem Stiefsohne Randvér gebuhlt haben soll; ihn läßt E. henken. Damit ist jener halb politische Zug der Ursage ins Vollheroische umgegossen. Aus dem aufsteigenden Teil der Sage ist etwas ganz Neues geworden, während das Gipfelmotiv, E.s Fall durch die Schwesterrächer, unverändert blieb (im Gegensatz zur Verwandlung der Burgundensage). Die große Neuerung kann man so erklären, daß zwei andere E.-sagen einwirkten: aus der 'Friedrichsage' nahm man, daß E. den eigenen Sohn tötet; aus der Harlungensage kam das Buhlmotiv und die Hängung. Da die beiden Sagen dem Norden fehlen, wäre zu schließen, daß jene Umformung der Svanhildsage in Deutschland geschah; dafür spricht auch der Galgen in Erm. Dot Str. 8. § 6. Indessen wird die Sohnestötung als eigene Sage durch Ps. c. 276 ff., Dietr. Flucht 2457 ff. 3848 nicht sicher erwiesen. Einen geringeren Aufwand heischt Jiriczeks Annahme: der Sohn wurde für die Svanhildsage erst erfunden; als man den naheliegenden Schritt tat und

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Svanhild zu E.s Frau machte, begründete man ihre grausige Strafe durch das Wandermotiv von der Liebe zwischen Stiefmutter und Stiefsohn. Die Harlunge hätten dann nur den Tod am Galgen hergegeben. Der E.-Sohn Friedrich (Ps., Dietr. Flucht, Quedl. Ann.) wird schon in dem Freoperic des Wids. 124 zu erkennen sein. Will man ihm nicht eine ganz andere Rolle zuschreiben, so wäre jene Umbildung der Svanhildsage für die deutsche Dichtung vor 700 bezeugt. Als diese Sage später zerfiel (s. o.), blieb Friedrichs Tötung als einzelner Pfeiler stehen: sie erschien nun nicht mehr als Strafe, sondern als verblendete Tat des Vaters. So schon Quedl. Ann.: post mortem Friderici, unici filii sui, su a perpetratam vo luntate. Wohl auch bei Flodoard: Hermenrico, qui omnem progeniem suam (= unicum filium?) morti destinaverit impiis consiliis cuiusdam consiliarii sui. Dieser Ratgeber, der nordische Bikki, ist vermutlich auch erst in die neugeformte Svanhildsage gekommen. - §7. Die wnord. Dichtung hat Svanhild und ihre Brüder zu Kindern der Guðrún gemacht und dadurch unsere Gotensage als Schlußstück an die nibelungische Tetralogie gehängt. Die Burgundensage verlor dabei den Tod ihrer Heldin, die Svanhilddichtung bereicherte sich um die Gestalt der schmerzensherben Mutter. Schon Bragi nennt die Brüder 'Giúkis Nachkommen'. Daß bereits die Deutschen Grimhild in die Svanhildsage gezogen hätten, stößt auf Schwierigkeit.

§ 8. Sieht man von einer eigenen Friedrichsage ab, so hat man als zweite selbständige E.-Geschichte:

B. die Harlungensage. Eine epische Darstellung gibt nur die Ps. (c. 281 ff.). Andeutungen in Dietrichs Flucht, Rabenschlacht, Vorw. z. Hbuch, bei Saxo (aus deutscher Quelle); die bloßen Namen schon im Wids.: die Herelingas Emerca und Frīdla (Biterolf: Imbrecke und Fritele). E. überfällt seine zwei Brudersöhne, die Harlunge, und bringt sie an den Galgen. Da E. als Inhaber des 'Harlungegoldes' genannt wird, nehmen einige die Gier nach diesem Horte als Beweggrund an. Dann wäre das Motiv in der Ps., daß man die Harlunge der Buhlschaft mit der Königin bezichtigt, eine alte Anleihe aus der umgeformten Svanhildsage.

Die beiden kontrastierten Ratgeber, der falsche Sibeche und der treue Ziehvater Eckehart, haben ihre Gegenstücke bei Wolfdietrich, auch bei Hagbard-Signe. 'Perfidus Sibicho' erscheint sprichwörtlich vor 1050; wogegen 'Sifecan' (Acc.) im Wids. 116 unter Namen eines ganz andern Kreises steht (s. Tyrfingsagen). Ob man in dem nord. Bikki, dem Becca des Wids. 115 (vgl. 19) einen zweiten Namen Sibeches sehen darf? Dann möchte der verderbliche Ratgeber, der fast alle Handlungen E.s begleitet, seinen Ausgangspunkt in der Harlungensage haben. Wie der Eckehart der Heldendichtung und der treue Eckart der Volkssage, Warner vor dem Venusberge und Führer des Wilden Heeres, voneinander abhängen, ist umstritten.

§ 9. Die Harlungensage wurde in weit entlegenen deutschen Landschaften ortsgebunden, am frühesten in Breisach, woraus man einen Zusammenhang Harlunge golt: Brísinga men (s. Beow. 1200): mons Brisiacus gefolgert hat. Ob die Dichtung im Breisgau oder übh. bei den Alemannen ihre Wiege hatte, wird dadurch nicht erwiesen. Wohl aber muß sie in Deutschland an den großen Gotenkönig angetreten, zu der Svanhildsage hinzugedichtet worden sein. Denn bei Jordanes lebt noch das ehrfurchtgebietende Bild von E. ('nobilissimus Amalorum'): mit der alten Form der Svanhildsage war es vereinbar; durch die deutsche Um- und Zudichtung aber entstand der 'grimmige Treubrecher' mit 'wölfischer Gesinnung', unter dem das Gotenvolk seufzt. So Wids. 9 und Deors Klage. Der betörte Wüterich, der das Weib und die eigenen Blutsverwandten mit schimpflichem Tode vertilgt, steht in dieser Welt der Schwagermorde, Bruderzwiste und des Mannenverrates einsam da. Als er in der hd. Dichtung auch noch sein tragisches Ende eingebüßt hatte, war er nur mehr das schemenhafte Kehrbild aller Heldentugenden. Von alt gotischer Sage ist an dem mhd. E. so gut wie nichts haften geblieben.

§ 10. Inzwischen war E. in eine neue Sage hineingestellt worden:

C. Dietrichs Exil; s. Die. trich von Bern, Amelunge. Dies wurde in der Epenzeit zu E.s Hauptsage, wozu sich die Harlunge und die Sohnes

tötung nur wie Anbauten verhielten. Daß er auch hier der verhaßte Gegenspieler ward, ist erst die Folge jener ungünsti gen Auffassung, die in den Sagen A und B erwachsen war. Denn diese Auffassung liegt dem Wids. schon voraus, während noch das Hildebrandslied E. nicht als Feind Dietrichs kennt. Hatte E. nicht schon früher den westlichen Schauplatz bezogen, so wurde er jetzt, wie Dietrich, Herrscher in Italien. Die Einführung E.s in die Dietrichsage war schuld daran, daß man seine Ermordung durch die Brüder Hamadeo und Sarulo, diesen uralten, um das J. 1100 noch bewahrten Sagenzug, entweder beseitigte (mhd. Epen) oder durch Dietrich vollziehen ließ (nd. Lied): der Gegner des großen Dietrich sollte nicht durch fremde Hand weggeräumt werden.

Lit. s. u. Dietrich von Bern; dazu: Müllenhoff ZfdA. 30, 217 ff. Ranisch Zur Kritik d. Hampismál 1888. Matthaei ZfdA. 43, 305 ff. Detter-Heinzel Sæmundar Edda 2, 583. Panzer Deutsche Heldensage im Breisgau 1904. Jiriczek D. Heldensage (Göschen) S. 29 ff. ZfdPh. 38, 145 ff.

Symons A. Heusler.

Ertränken. Das E. scheint neben dem Versenken in den Sumpf in der germanischen und der folgenden Periode keine selbständige Strafe gewesen zu sein. Dagegen kennt schon Tacitus das Werfen in den (Opfer-) Sumpf, dessen Opfer jetzt als ,,Moorleichen" aufgefunden werden; es war eine Strafe für Frauen und sich weibisch betragende Männer. Das Ersticken im Schlamm hat ein Seitenstück im Lebendigbegraben (aschw. i iorp grawa), einer ebenfalls bei Weibern angewandten Strafe. Mit dem Lebendigbegraben verband man häufig das später zur selbständigen Strafe gewordene Pfählen, das ursprünglich ebenso wie das Überdecken des Leichnams mit Dornen nur den Zweck hatte, die Wiederkehr des Toten zu verhindern.

Brunner Über die Strafe des Pfählens im älteren deutschen Recht, SZfRG. 39, 258 ff. Pappenheim Moorleichen, ebenda 35, 354. S. ferner die Lit. zu Todesstrafe. v. Schwerin.

Erwerbsgenossenschaften begegnen im nordischen Recht für den Handel (s. Handelsgesellschaft) und für die Landwirtschaft. In letzterer Hinsicht ist das schwe

dische bōlagh oder bōfælagh ('Gutsgesellschaft'), das dänische fælagh und norwegisch-isländische būlag oder būfēlag von Bedeutung. Es handelt sich um den Betrieb einer Bauernwirtschaft für gemeinsame Rechnung, sei es, daß die Genossen Miteigentümer oder Pächter sind oder der eine Eigentümer, der andere Pächter (colonia partiaria) oder Verwalter (bryti). Zumal der letztere Fall spielt in Dänemark und Schweden eine Rolle (fælagsbryti), es liegt hier im Grunde ein Dienstvertrag vor mit partiarischen Elementen (vgl. Dienstboten). Auch Hauskommunionen zwischen Eltern und Kindern, Schwiegerund Stiefeltern mit Schwieger- und Stiefkindern, endlich Geschwistern finden sich teils auf Grund Vertrages, teils auf Grund Gesetzes im dänischen und schwedischen Recht. Besondere Erwerbsgenossenschaften treten auf für den Betrieb der Fischerei (notalagh), des Bienenfanges u. a. m. Die bergrechtliche Gewerkschaft ist erst ganz späten Datums.

v. Amira NOR. I S. 670 ff., 734 ff. II S. 807 ff. Matzen Forel. Privatr. II 191 ff. I 84 ff. Nordström II 182 ff.

K. Lehmann.

Erzbistum. Das Erzbistum (lat. provincia, ags. arcebiscopdom, -rice, norw. erkibiskupsdæmi) ist die Vereinigung mehrerer Bistümer (s. Diözese) zu einem Metropolitanverband unter einem der vereinigten Bischöfe, dem Metropoliten oder Erzbischof (lat. archiepiscopus, schw. aerkibiskuper, norw. erkibiskup, ags. arcebisceop, ealdorbisceop). Des Erzbistum entspricht territorial in der Regel weltlichen Provinzen; die ersten Ansätze zur Bildung von Metropolitanverbänden zeigen sich im Primat des Bischofs von Arles über Südgallien und Spanien. Um die Wende des 4. und 5. Jhs. finden wir schon 17 Metropolitansitze, unter denen die zu Reims und Trier wohl in römische Zeit zurückreichen, im Testamente Karls des Großen 21, darunter 5 italienische, auf deutschem Gebiete aber Mainz, Cöln, Salzburg und Trier, dazwischen aber war der Metropolitenverband zerfallen gewesen und auch durch die Bemühungen von Bonifatius noch nicht wieder hergestellt. Im 7. Jh. entstand das ags. Erzbistum zu Canterbury,

dem in kurzer Zeit ein zweites zu York und ein drittes zu Lichfield zur Seite traten. Das erste skandinavische Erzbistum wurde 1103/04 zu Lund errichtet (provincia Dacia) und verblieb für Dänemark, als in Nidaros ein, norwegisches (1152) und in Upsala (1164) ein schwedisches E. gegründet wurde; bis 1103 standen die skandinavischen Länder unter dem Erzbistum Hamburg-Bremen.

Hauck KG. I, 41 f.; 128 f.; 542 f.; II 211. Hinschius Kirchenrecht I ff. Maurer Vorles. II 224 ff. Stubbs Const. Hist. of England I 238 f. Stutz KR. 821, 824. Werminghoff VG. d. d. Kirche im MA. 15f. Zorn Staat u. Kirche in Norwegen 87 ff. v. Schwerin.

Erzguß (Bronzegu ß). § I. Das Verfahren, die bekannte Metallmischung (s. Erz) zu schmelzen und in Hohlformen. zu gießen, um plastische Werke zu erzeugen, wurde seit der ältesten Bronzezeit fortdauernd geübt; sowohl mit Anwendung geschnittener, vertiefter, meist doppelter Formen, von denen sich steinerne noch zahlreich besonders im Norden gefunden haben; aber auch mit verlorener Form, für die das Wachsausschmelzverfahren sicher seit uralter Zeit geübt ist, bei dem das Modell in Wachs modelliert, mit Formmaterial (Lehm, Ton) umgeben und dann aus der Höhlung herausgeschmolzen wurde, die das Metall auszufüllen hatte. Schon im 2. Jahrtausend v. Chr. besaß man im Erzguß eine erstaunliche Geschicklichkeit, selbst im hohen Norden, die übrigens ununterbrochen fortwirkte; die zahllosen Bronzefibeln, Schnallen, Beschlagteile und ähnliche Kleinsachen aus der Völkerwanderungszeit erweisen eine erstaunliche Verbreitung und Massenherstellung solcher kleiner Bronzegüsse in der ganzen germanischen Welt; auch andere kleine Kunstwerke entstanden bis zu Ende der Epoche, wie Gefäße, Leuchter (die des Tassilo zu Kremsmünster, 8. Jh.). § 2. An größeren Gegenständen in Bronzeguß dürfte sich jedoch die nordgermanische Kunst vor den Tagen Bernwards und der Hildesheimer und Augsburger Bronzetüren kaum versucht haben, vielmehr sind solche Werke wohl sicher als aus dem Süden importiert anzusehen.

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