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Vorrede.

Das Geschichtswerk, welches unter dem Namen des Nennius geht, gehört zu denen, welche stets von den Geschichtsforschern mit Argwohn und Misstrauen angesehen worden sind; und sie thaten wohl daran, insofern es ihnen nur darauf ankam, äussere historischè Thatsachen mit seiner Hülfe festzustellen, da es in dieser Beziehung allerdings nur unvollkommene Bürgschaften gewährt; insofern der Historiker aber auch die Tradition als Geschichtsquelle nicht verschmäht, insofern er die äusseren politischen Begegnisse eines Volkes nicht allein als zu dessen Geschichte gehörig betrachtet, sondern seine Untersuchung auch auf die lebendige Tradition, als Abdruck des innern Geisteslebens eines Volkes ausdehnt, gewinnt gerade Nennius ebenso, wie so manche der älteren Historiker, welche freilich am bequemsten als Fabler und Leichtgläubige beseitigt zu werden pflegen, eine Bedeutung, die um so höher anzuschlagen ist, je älter und reiner die Ueberlieferung ist, welche uns durch sie aufbewahrt wird. Was in dieser Beziehung der englische Herausgeber im §. 16 und 17 seiner Vorrede nur sehr kurz andeutet, möge hier einige weitere Ausführung finden, nicht sowohl, um dadurch überhaupt diese für Deutschland bestimmte Ausgabe zu rechtfertigen, als vielmehr, um auf eine allgemeinere und fruchtbarere Benutzung dieses alten merkwürdigen Schriftstellers hinzuwirken, der für die altgermanischen Studien von nicht minderer Bedeutung ist, als für die altbrittischen.

Während Gildas in seinem kleinen Werke de excidio Britanniae uns in kurzen markigen Zügen einen Abriss der brittischen Geschichte wahr und kräftig entwirft, finden wir in Nennius eine reiche, und nach den verschiedensten Seiten hin

weit ausgedehnte Sagenwelt, die wie ein faltenreiches Gewand die nackte Gestalt der wahren Historie umwallt und umwebt.

Römische Ueberlieferungen und angelsächsische Heroensagen, den germanischen Mythen- und Heroenkreisen verwandt, mischen sich mit altceltischen nationalen Erinnerungen und Traditionen, byzantinische Gelehrsamkeit mit neuerer lateinischer Schulweisheit; und durch all dieses zerrissene Gewölk blickt der Glorienschimmer der christlichen Legende, als der goldige Hintergrund hindurch, in dessen Strahle auch der Verfasser, als in dem ihm theuersten Elemente, sich mit besonderem Wohlbehagen erwärmt.

Um in diesen scheinbar chaotischen Stoff tiefer einzudringen, die Massen zu sondern und Licht und Gestalt zu gewinnen, bedarf es vor Allem der aufmerksamen Beachtung dessen, was Nennius selbst als die Quellen und Autoritäten seiner Erzählung uns bezeichnet, und demnächst einer Herbeischaffung dessen, wodurch uns diese Quellen als ächt und zuverlässig dargestellt und bestätigt werden. Dieser letzteren Aufgabe wird jedoch nur derjenige vollständig genügen können, dem die Benutzung reichhaltiger, besonders englischer Bibliotheken und der Zugang zu deren alten handschriftlichen Schätzen gestattet ist. Nur auf diesem Wege lässt sich scheiden und zurechtlegen, was für die Geschichte, für die Mythe und für die Sage in des Nennius Erzählung Wichtiges enthalten ist; daneben aber würden wir ein Karakterbild des Schriftstellers gewinnen, das für die Kritik seines Werkes ebenfalls nicht ohne Erfolg sein kann. In Beziehung auf die obige erste Aufgabe, mögen folgende Andeutungen hier ihren Platz finden. Aus dem ganzen Werke leuchtet unzweideutig hervor, dass der Verfasser ein Geistlicher gewesen ist, der nicht blos eine für seine Zeit vielumfassende Büchergelehrsamkeit, sondern auch ausgebreitete Kenntniss der im Volke lebenden mündlichen, und wahrscheinlich, wenigstens zum Theil schon in heimischen Schriften niedergelegten Ueberlieferungen besass. Die Prologe erwähnen als Quellen: majorum traditiones, scripta, et monumenta veterum Britanniae incolarum, annales Romanorum, chronica Sanctorum Patrum, Isidori, Hieronymi, Prosperi, Eusebii, historiae Scottorum Saxonumque (licet ini

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