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Schwieriger liegt die Sache beim Wirtschaftsleben, wo oftmals archäologische, kulturhistorische, ethnographische und sprachgeschichtliche Probleme nebeneinander herlaufen, die nicht immer leicht in Einklang zu bringen sind. Auch hier war die Anknüpfung an die vorgeschichtlichen Verhältnisse unerläßlich, aber bei der Schilderung der letztern war eine Trennung der verschiedenen Probleme und Auffassungsweisen vielfach nicht zu umgehn.

Als Heimat der Germanen kommen nach der jetzt wohl allgemein herrschenden Ansicht in ältester Zeit nur Norddeutschland oder die skandinavischen Länder oder beide in Betracht. Ich hielt es aber für angebracht, die Darstellung der archäologischen Verhältnisse nicht auf diese Gebiete zu beschränken, sondern auch die Vorgeschichte der andern Länder Mitteleuropas, die später von Germanen bewohnt wurden, zu berücksichtigen, weil die Germanen von ihren südlichen Nachbarn zweifellos nicht nur in älterer vorgeschichtlicher Zeit durch Kulturmitteilung, sondern auch nach dem Einrücken in deren Gebiete in den späteren vorgeschichtlichen und geschichtlichen Epochen durch Völkermischung tiefgreifende kulturelle Einwirkungen erfuhren. Eine eingehendere Berücksichtigung der vorgeschichtlichen Archäologie Mitteleuropas schien mir auch schon darum empfehlenswert, weil es an einer zuverlässigen und zugleich übersichtlichen Zusammenfassung hier leider immer noch gebricht.

Die prähistorischen Fundtypen sind nun zunächst nach rein archäologischen Gesichtspunkten geordnet und in ihrer fortschreitenden Entwicklung geschildert worden. Die weitere Hauptaufgabe der archäologischen Darstellung: die ethnographische Festlegung der prähistorischen Fundobjekte und die Aussonderung des spezifisch Germanischen, kann in doppelter Weise in Angriff genommen werden: einmal, indem man untersucht, welche der vorgeschichtlichen Formenreihen Mittel- und Nordeuropas mit den sicher germanischen Fundtypen aus historischer Zeit entwicklungsgeschichtlich zusammenhängen, und sodann durch Verknüpfung der archäologischen Tatsachen mit den Zeugnissen der germanischen und indogermanischen Sprachwissenschaft und den Mitteilungen der antiken und mittelalterlichen Schriftsteller. Nach beiden Richtungen hin sind in den letzten Jahren sehr beachtenswerte Vorstöße gemacht worden; aber das ethnographische Problem der Prähistorie ist von einer allseitigen Lösung noch weit entfernt.

Es ist nach dem Gesagten wohl entschuldbar, wenn das angestrebte Ideal einer organischen Verknüpfung von Vorgeschichte und Geschichte, von Archäologie, Ethnographie und Sprachwissenschaft in dem vorliegenden Werk nur zum Teil erreicht worden ist.

Das Schwergewicht der Darstellung mußte natürlich in der historischen Zeit liegen. Und hier möchte ich nachdrücklichst darauf hinweisen, daß die geschichtliche Kultur der Germanen von Anfang an mehr oder minder stark unter dem Einfluß der römischen Kultur und bald auch des Christentums stand. Die noch vielfach beliebte Methode aber, in der Schilderung des germanischen Altertums entweder nur den alteinheimischen, echt germanischen Kulturerscheinungen nachzugehn und die römischen und christlichen Einschläge zu vernachlässigen, oder umgekehrt die mittel- und nordeuropäischen Gebiete nur als Provinzen

des römischen oder des christlichen Weltreichs zu betrachten, scheint mir ein
schiefes Bild von den wirklichen Kulturzuständen der germanischen Länder
in frühmittelalterlicher Zeit zu geben. Es ist vielmehr noch stärker, als es
bisher geschehen, das Augenmerk darauf zu richten, welche Umbildungen nicht
nur die materielle, sondern auch die geistige und die soziale Kultur der
Germanen unter römischem und christlichem Einfluß erfahren, und welche
Formen nicht bloß römische Importgegenstände, sondern auch römische und
christliche Ideen und Einrichtungen auf germanischem Boden angenommen
haben. Beiträge in dieser Richtung möchte das vorliegende Werk liefern; doch
bleibt hier noch recht viel zukünftiger Arbeit vorbehalten.

Das Reallexikon soll die Ergebnisse der neuesten Forschung in möglichst
knapper und straffer Form und klarer, allgemein verständlicher Sprache zur
Darstellung bringen, so daß es nicht bloß für Gelehrte, sondern für jeden
Gebildeten benutzbar ist, der sich gründlicher über eine Frage aus dem Gebiet
der germanischen Altertumskunde unterrichten oder sich selbsttätig damit
beschäftigen will. Ausführliche Diskussionen und Polemiken sind ausgeschlossen,
aber Lücken der Forschung, streitige Fragen und schwebende Probleme nach
Möglichkeit angedeutet worden, um zu weiteren Untersuchungen anzuregen.

Um dem Leser die selbständige Weiterforschung zu ermöglichen, sind
ferner im Text oder am Schluß der Artikel die nötigen bibliographischen
Nachweise gegeben. Vollständigkeit der Verweise ist hier nicht angestrebt;
vielmehr sind im allgemeinen nur die wichtigsten Abhandlungen über den
Gegenstand, diejenigen Schriften, die weitere bibliographische Zusammenstellungen
enthalten, und die neuesten, in den Bibliographien noch nicht aufgeführten
Arbeiten verzeichnet worden.

Der Stoff ist der leichteren Benutzbarkeit wegen unter möglichst zahl-
reichen Stichwörtern verarbeitet; doch sind größere Gruppen von Tatsachen,
historische Entwicklungsreihen und Perioden unter Sammelstichwörtern behandelt
worden, die dem Leser einen orientierenden Überblick über die Einzeltatsachen
gewähren. Die Verteilung des Stoffs auf die Stichwörter mußte im wesentlichen
dem praktischen Ermessen der Mitarbeiter überlassen bleiben. Hierdurch wie
auch durch die besondern Wünsche und Interessen mancher Mitarbeiter haben
sich gewisse Ungleichheiten in der Stoffverteilung, Darstellungsweise und Auf-
fassung ergeben, die sich bei einem derartigen Sammelwerk nie ganz werden
vermeiden lassen. Wo es angängig war, habe ich mich bemüht, augenfällige
Widersprüche zu beseitigen und Unebenheiten auszugleichen; aber alle Gegensätze
der Auffassung zu tilgen, hielt ich mich um so weniger berufen, als jeder Artikel
mit dem Namen des Bearbeiters unterzeichnet ist und der Leser dadurch von selbst
auf die Möglichkeit einer verschiedenen Beurteilung der Tatsachen hingewiesen wird.
Die Verantwortung für Inhalt und Form der einzelnen Artikel tragen die
Mitarbeiter. Für den Plan und die Ziele des Gesamtwerks, für die Gruppierung
des Stoffs im ganzen und die Auswahl der Mitarbeiter bin ich verantwortlich.
Es ist mein Bestreben gewesen, für jeden Beitrag den kompetentesten Be-
arbeiter zu gewinnen; aber nicht immer ließ sich das ermöglichen.

Manche Lücken unter den Stichwörtern werden in einem Nachtrag ausgefüllt werden. Der Inhalt desselben sowie der des Reallexikons überhaupt wird durch ein ausführliches Gesamtregister am Schluß des letzten Bandes ausgeschöpft werden. Erst wenn dieses vorliegt, läßt sich die Fülle des verarbeiteten Stoffs in ihrem ganzen Umfang übersehn und nutzbar machen. Den einzelnen Bänden aber wird ein sachlich geordnetes Register angehängt werden.

Als eine willkommene Beigabe dürften die zahlreichen Abbildungen empfunden werden, von denen der erste Band 47 Tafeln und 62 Textabbildungen enthält. Die Gesamtzahl der Artikel dieses Bandes beträgt 512.

Drei geschätzte Mitarbeiter hat bereits der Tod aus voller Tätigkeit hinweggerafft: Bernhard Kahle starb am 9. Dezember 1910, Axel Björnbo am 6. Oktober 1911 und Siegfried Rietschel am 20. September 1912. Ihrer Verdienste um das Reallexikon sei hier in herzlicher Dankbarkeit gedacht. Die Beiträge, die sie übernommen hatten, liegen im Manuskript fertig vor.

Das Reallexikon macht nicht den Anspruch, eine irgendwie » abschließende Darstellung der germanischen Altertumskunde zu geben. (Wann würde in der Wissenschaft überhaupt je ein völliger Abschluß erreicht?) Es will nur den gegenwärtigen Stand der Forschung übersichtlich zusammenfassen, um dadurch die Grundlage und Anregung zu weiteren Untersuchungen zu bieten. Wenn es ihm beschieden sein sollte, auf diese Weise fruchtbringend und fördernd in den Fortschritt der Kulturwissenschaft einzugreifen, so hat es seinen Zweck erfüllt, und die von so vielen Forschern der verschiedensten Länder ihm gewidmete Zeit und Arbeit ist nicht vergeblich gewesen.

Heidelberg, 24. Februar 1913.

Johannes Hoops.

Mitarbeiter.

Ergänzungen vorbehalten.

Dr. Clemens Baeumker, ord. Professor an der Universität Straßburg.

Adolphus Ballard, Woodstock, Oxford.

Dr. Chr. Bartholomae, Geh. Hofrat, ord. Professor an der Universität Heidelberg. Prof. Dr. Ludwig Beck, Biebrich a. Rhein.

Dr. G. v. Below, Geh. Hofrat, ord. Professor an der Universität Freiburg i. Br. Professor Dr. R. Beltz, Schwerin.

Dr. Björn Bjarnason, R e y k javik (Island).

Dr. Axel A. Björnbo †, weil. Bibliothekar, Kongelige Bibliothek, Kopenhagen. Dr. J. Boehlau, Direktor des Königl. Museum Fridericianum, Kassel.

Dr. Franz Boll, ord. Professor an der Universität Heidelberg.

Dr. G. Baldwin Brown, Professor an der Universität Edinburgh.

Dr. Karl Brunner, Assistent bei der Sammlung für deutsche Volkskunde, Berlin.

Dr. Alexander Bugge, Professor an der Universität Kristiania.

Dr. L. Dietrichson, Professor an der Universität Kristiania.

Professor Dr. Hans Dragendorff, Generalsekretar des Kais. deutschen archäologischen Instituts, Berlin.

Dr. Max Ebert, Berlin, Kgl. Museum für Völkerkunde.

Dr. Ernst Fabricius, Geh. Hofrat, ord. Professor an der Universität Freiburg i. B. Dr. Hjalmar Falk, Professor an der Universität Kristiania.

Dr. Hermann v. Fischer, ord. Professor an der Universität Tübingen.

Dr. Oskar Fleischer, außerord. Professor an der Universität Berlin.

Dr. Max Förster, ord. Professor an der Universität Leipzig.

Kurat Christian Frank, Kaufbeuren (Bayern).

Dr. Otto von Friesen, Professor an der Universität Upsala.
Professor Dr. Franz Fuhse, Museumsdirektor, Braunschweig.
C. J. B. Gaskoin, M. A., Woburn Sands, Beds., England.

Professor Dr. P. Goessler, Degerloch bei Stuttgart.

Professor Dr. Valtýr Guðmundsson, Dozent an der Universität Kopenhagen.

Dr. Marius Hægstad, Professor an der Universität Kristiania.

Dr. Eduard Hahn, Privatdozent an der Universität Berlin.

Dr. Hans Hahne, Privatdozent an der Technischen Hochschule Hannover.

Dr. A. G. van Hamel, Middelburg, Holland.

Dr. Karl Hampe, ord. Professor an der Universität Heidelberg.

Dr. Theodor Hampe, Direktor am Germanischen Nationalmuseum, Nürnberg.

Dr. Andreas M. Hansen, Hvalstad bei Kristiania.

Professor Dr. A. Haupt, Baurat, Professor an der Technischen Hochschule Hannover. Dr. Gustav Herbig, Privatdozent an der Universität München.

Professor Dr. F. Hertlein, Heidenheim a. Brenz, Württemberg.

Dr. Andreas Heusler, außerord. Professor an der Universität Berlin.

Dr. Moritz Hoernes, außerord. Professor an der Universität Wien.

Dr. Johannes Hoops, Geh. Hofrat, ord. Professor an der Universität Heidelberg.

Dr. Rudolf Hübner, ord. Professor an der Universität Rostock.

Heinrich Jacobi, Kgl. Baurat, Homburg v. d. H.

Dr. Josef Janko, außerord. Professor an der böhm. Universität Prag.

Dr. Richard Jordan, Professor an der Kgl. Akademie Pos e n.

Dr. Bernhard Kahle †, weil. außerord. Professor an der Universität Heidelberg.

Dr. Wolfgang Keller, ord. Professor an der Universität Münster.

Dr. Max Kemmerich, München.

Dr. Albert Kiekebusch, Karlshorst bei Berlin.

Dr. Friedrich Kluge, Geh. Hofrat, ord. Professor an der Universität Freiburg i. Br. Dr. Wilhelm Köhler, Wien.

Dr. Laurence M. Larson, Professor an der University of Illinois, Urbana.

Dr. Karl Lehmann, ord. Professor an der Universität Göttingen.

R. V. Lennard, Lecturer, Wadham College, Oxford.

Dr. Arnold Luschin v. Ebengreuth, Hofrat, ord. Professor an der Universität Graz.

Dr. Herbert Meyer, ord. Professor an der Universität Breslau.

Dr. Raphael Meyer, Bibliothekar an der Veterinair-Høiskole, Kopenhagen.

Dr. Wilhelm Meyer-Lübke, Hofrat, ord. Professor an der Universität Wien.

Dr. Eugen Mogk, außerord. Professor an der Universität Leipzig.

Dr. Rudolf Much, ord. Professor an der Universität Wien.

Dr. Gustav Neckel, außerord. Prof. an der Universität Heidelberg.

Dr. Yngvar Nielsen, Professor an der Universität Kristiania.

Dr. Paul Puntschart, ord. Professor an der Universität Graz.

Dr. Siegfried Rietschel †, weil. ord. Professor an der Universität Tübingen.
Dr. Fritz Roeder, Oberlehrer, Privatdozent an der Universität Göttingen.
Dr. Franz Rühl, Staatsrat, Universitätsprofessor a. D., Jen a.

Dr. Alfred Schliz, Hofrat, Heilbronn.

Dr. Otto Schlüter, ord. Professor an der Universität Halle.
Dr. Hubert Schmidt, Privatdozent an der Universität Berlin.
Dr. Br. Schnittger, Stockholm, National-Museum.

Dr. Hans Schreuer, ord. Professor an der Universität Bonn.

Dr. Edward Schröder, Geh. Regierungsrat, ord. Professor a. d. Universität Göttingen.
Dr. Hans v. Schubert, Geh. Kirchenrat, ord. Professor a. d. Universität Heidelberg.
Professor Dr. Karl Schuchhardt, Geh. Regierungsrat, Direktor am Museum für Völkerkunde,
Berlin.

Professor Dr. Karl Schumacher, Direktor am Römisch-german. Zentral-Museum, Mainz.
Dr. Claudius Frhr. v. Schwerin, Privatdozent an der Universität München.
Dr. Gerhard Seeliger, Geh. Hofrat, ord. Professor an der Universität Leipzig.

Dr. Hans Seger, Professor an der Universität Breslau.

Dr. Walther Stein, außerord. Professor an der Universität Göttingen.

Dr. Wilhelm Streitberg, ord. Professor an der Universität München.

Dr. Karl Sudhoff, Geh. Medizinalrat, außerord. Professor an der Universität Leipzig.

Dr. Michael Tangl, ord. Professor an der Universität Berlin.

Ch. Thomas, Architekt, Frankfurt a. M.

Dr. Albert Thumb, ord. Professor an der Universität Straßburg.

Dr. Paul Vinogradoff, Professor an der Universität Oxford.

Dr. Walther Vogel, Assistent am Kgl. Institut für Meereskunde, Berlin.

Timot. Welter, K. Notar, Metz.

R. J. Whitwell, Lecturer, Corpus Christi College, Oxford.

Dr. Friedrich Wilhelm, Privatdozent an der Universität München.

Dr. Ernst Windisch, Geh. Rat, ord. Professor an der Universität Leipzig.
Dr. A. Zycha, ord. Professor an der Universität Prag.

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