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lung Definitives ermittelt werden kann. Solche Untersuchungen sollten durch die Erwägung geleitet werden, daß ökonomische Bedürfnisse mindestens ebenso schwerwiegend sind, wie Gewohnheiten, die mit der Rasse zusammenhängen, und daß solche Bedürfnisse nicht nur mit einem unveränderten Zustand des Landes zu rechnen haben, sondern auch mit Wäldern und Sümpfen, die die Tatkraft des Siedlers beseitigt. Diese Forschung sollte sich auch. immer die Möglichkeit vor Augen halten, daß die heutige Beschaffenheit des Landes eben modernen Datums sein kann, und die Tatsache, daß schon zur Zeit, als das Domesday - Buch angelegt wurde, Jahrhunderte seit der angelsächsischen Eroberung vergangen waren, so daß in dieser Zwischenzeit neue Einzelhöfe entstehen oder Einzelhöfe zu bedeutenden Dörfern anwachsen konnten.

§ 32. Abgesehen von den geringen Angaben, die man über die Größe der Siedelungen aus den Urkunden und historischen Schriften hofft ziehen zu können, scheint für die ersten Jahrhunderte eine andere Forschungsmethode noch nicht genügend angewandt worden zu sein. Die Orts na men nämlich könnten Licht auf diese Probleme werfen.

Wo wir Namen finden, die augenscheinlich mit andern Siedelungen zusammenhängen (z. B. Sutton 'der südliche tūn'; Aston, das oft 'der östliche tun' bedeutet; oder Nethercote), da können. wir das wohl als Kennzeichen einer ländlichen Organisation ansehen, die aus verschiedenen Gliedern bestand und als ein System von Einzelhöfen angesprochen werden kann. Auch läßt sich daran denken, ob das häufigere Vorkommen solcher relativer Präfixe in Verbindung mit dem Suffix tun als mit dem Suffix hām auf bloßem Zufall beruht, oder ob das Suffix tūn in der einen oder andern Periode, wie das Suffix cot, hauptsächlich für Einzelhöfe gebraucht ist. Wenn das bewiesen werden könnte, so würde es die Konjektur von Round unterstützen, daß Orte, deren Name auf tūn endigt, später entstanden sind als Orte mit der Endung hām, denn die politischen Bedingungen der späteren Periode der Eroberung müssen für die Siedelung

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in Einzelhöfen günstiger gewesen sein (vgl. J. H. Round The Commune of London, Westminster 1899, S. 6 u. 7).

Hierbei ist jedoch eine wichtige Unterscheidung zu beachten, die oft vergessen wird. Ein Hofsystem kann zwei verschiedene Dinge bezeichnen, die oft, aber nicht notwendig übereinstimmen. Es kann einfach das Überwiegen kleiner Siedlungen vor großen meinen. Es kann aber auch eine ländliche Organisation bezeichnen, die die Zusammenfassung kleiner Gruppen getrennter Siedelungen für gewisse Zwecke mit sich brachte, ohne Rücksicht auf die Größe dieser Siedelungen. Zweifellos werden solche getrennten Gruppen im allgemeinen klein gewesen sein. Denn es hätte kaum eine Notwendigkeit vorgelegen, große Gruppen zu einer Gemeinde zu vereinigen. Auf jeden Fall muß aber dieser Unterschied beachtet werden.

VII. Benutzung römischer Plätze. $33. Eine ganze Menge englischer Städte ist zweifellos an der Stelle oder in der unmittelbaren Nähe römischbritischer Städte erbaut worden. Ferner spricht, ganz abgesehen von den archäologischen Funden, das Zeugnis von Beda dafür, daß in vielen dieser Fälle, z. B. bei Canterbury, London, Lincoln und York, germanische Siedelungen vor der Mitte des 7. Jahrh. entstanden sind. Aber die Tatsache, daß sächsische Siedlungen römische Orte benutzten, ist noch kein Beweis dafür, daß sie sich ohne Lücke an diese anschlossen. Es fehlen jegliche Daten, die auf die Kontinuität der ländlichen oder städtischen Niederlassungen schließen lassen. Für einige Plätze, wo germanische Siedelungen auf römische folgten, steht es fest, daß sie zwischen beiden Perioden eine Zeitlang verödet dalagen. Viele alte Niederlassungen sind nach der angelsächsischen Eroberung gänzlich aufgegeben worden. Selbst für London, wo mehr als bei den meisten andern Städten anzunehmen wäre, daß zwischen der römischen und der sächsischen Stadt keine Lücke bestand, ist das doch nicht mit Sicherheit zu erweisen (vgl. VCH.: London Bd. I S. 43, 147). In Canterbury liegen (laut mündlicher Mitteilung von Professor

Haverfield an mich) die Überreste der ältesten germanischen Siedelungen mehr in der Nachbarschaft von St. Martin, als nach dem Zentrum der römischen Stadt zu. Das spricht für die Vermutung, daß Canterbury zerstört wurde und die Fläche jahrelang unbenutzt war (vgl. Haverfield Romanization of Roman Britain, Ausgabe v. 1912, S. 63-64). Sogar in einem so spät eroberten Gebiet wie Somerset ist der unmittelbare Anschluß nicht nachzuweisen. Die Baureste in Bath zeigen deutlich, daß das römische Aquae Sulis lange verödet lag, bevor dort wieder eine sächsische Siedelung entstand. In Somerset ist, abgesehen von Aquae Sulis, Ilchester der einzige Ort, wo römische und | englische Siedelungen zusammentreffen, und das war in der römischen Periode ein unwichtiger Platz (vgl. F. J. Haverfield: VCH.: Somerset Bd. I S. 218, 224 bis 225, 243). Spuren von Feuer bei einigen Trümmern aus römischer Zeit wie bei denen von Viriconium sprechen für die gewaltsame Zerstörung des römischen Platzes (vgl. F. J. Haverfield: VCH.: Shrop shire Bd. I S. 217), anderseits scheint Calleva Atrebatum, oder Silchester, in Hampshire einfach geräumt worden zu sein (vgl. F. J. Haverfield: EHR. XIX S. 627-631). Die Chronik erzählt, daß Chester Ende des 9. Jahrh. verlassen war, und noch jetzt unbenutzte Stätten wie die von Verulamium bezeugen Ähnliches.

§ 34. Für die ländlichen Siedelungen liegen die Verhältnisse ebenso, selten lassen sich angelsächsische Trümmer am Orte einer römischen Villa nachweisen, und die große Unsicherheit, die in der Datierung der alten angelsächsischen Funde herrscht, schließt jede Folgerung über die ursprünglichen Verhältnisse bei den wenigen römischen Landhäusern, wo angelsächsische Baufunde gemacht wurden, aus. In allen Teilen des Landes findet man aber anderseits römische Landhäuser in einiger Entfernung von den modernen Dörfern: das ist z. B. der Fall bei Darenth in Kent, bei Brading auf der Isle of Wight, bei Northleigh in Oxfordshire, bei Chedworth in Gloucestershire.

Spuren von Feuer, die ein Zerstörung durch die Eroberer vermuten lassen, wer

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den auch nicht selten an den Überresten der römisch-britischen Landhäuser gefunden (vgl. F. J. Haverfield The Romanization of Roman Britain: Proceedings of the British Academy, 1905-1906, S. 210; P. Vinogradoff The Growth of the Manor, London 1905, S. 118).

Schließlich ist auch noch zu beachten, daß der vorwiegend germanische Charakter der englischen Ortsnamen als Tatsache zu werten ist, die sich mit einer frühzeitigen oder allgemeinen Besitzergreifung römischer Siedelungen durch die angelsächsischen Eroberer kaum in Einklang bringen läßt (vgl. W. H. Stevenson: EHR. IV S. 358).

VIII. Siedelungen von Sippenverbänden. § 35. Die Theorie von Kemble, daß in dem Namen manch eines englischen Dorfes die Spur eines Sippenverbandes, zu dem die alten germanischen Siedler gehörten, zu finden sei (vgl. J. M. Kemble The Saxons in England, London 1849, Bd. I Kap. 2 und Anhang A), ist von verschiedenen Gesichtspunkten aus angegriffen worden. Es wurde dagegen angeführt, daß im alten englischen Recht der Blutrache-Verband nicht ein" permanently organized unit" war, sondern für jede Familie von Brüdern und Schwestern verschieden zusammengesetzt war, da die Verantwortlichkeit und die Ansprüche der mütterlichen Sippe ebensogut anerkannt wurden, wie die der väterlichen.

2.

Diese Erwägung schwächt etwas das Argument für die Geschlossenheit der Sippe ab, womit die Auffassung von Kemble verbunden ist (vgl. F. Liebermann Die Gesetze der Angelsachsen Halle 1903, Bd. I: Alfred 27, S. 66-67, Athelstan II 2 S. 156-57, Leges Henrici 75, §§ 8-10, S. 592. Pollock u. Maitland History of English Law, 2. Aufl., Cambridge 1898, Bd. 2 S. 242). Es ist dann an der Hand der Chronik (ann. 597, vgl. 626, 685) angeführt worden, daß das Patronymikon auf ing nicht als ein fortdauernder ClanName gebraucht wurde, sondern mit jeder Generation wechselte (s. Round aaO. 17f.. Zudem ist die Silbe ing zweifellos in manchen Namen der heutigen Karten, die von Kemble als Patronymika angesehen wurde, in Wirklichkeit weiter nichts als eine

Korumpierung oder ein Possessivum (vgl. W. H. Stevenson: EHR. IV, Anm. S. 356; I. Taylor Names and their Histories, 2. Aufl., London 1898, S. 353-55; W. W. Skeat The Place Names of Cambridgeshire, Cambridge Antiquarian Soc. Nr. 36, 1901, S. 14; derselbe The Place Names of Bedfordshire, ebenda Nr. 42, 1906, S. 57; derselbe Place Names of Hertfordshire, Hertford 1904, S. 37-38; J. H. Round aaO. S. 22—26).

Und es

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Aber die Reaktion gegen die These von Kemble ist zu weit gegangen. Es ist sicher, daß in der angelsächsischen Gesellschaft der Sippenverband eine gewisse Geschlossenheit hatte, was ja auch die Texte, die die ergänzende Verantwortlichkeit der Muttersippe dartun, voraussetzen. ist auch klar, daß der Sippenverband manchmal genügend groß und zusammenhängend war, um eine Streitmacht von gewisser Stärke zu bilden (vgl. Athelstan | VI. 8. § 2, 3 bei Liebermann aaO. S. 178 -179), während ein Text (Athelstan II 2 §8) nicht nur eine gewisse Geschlossenheit der Sippe, sondern auch die örtliche Konzentration des Sippenverbandes bestimmt vermuten läßt (vgl. auch P. Vinogrodoff Growth of the Manor S. 138-141, 241-43; Pollock u. Maitland aaO. S. 243, 245).

Was den Gebrauch des Patronymikons auf -ing als dauernder Familienname angeht, so sind die Beispiele der Oiscingas, Vuffingas, Icelingas (vgl. Beda HE. II 5, II 15; Felix: Life of St. Guthlac (angelsächs. Version, hrsg. v. C. W. Goodwin, London 1848, S. 8; hrsg. v. d. Gonser, AF. 27, Heidelbg. 1909, S. 104) allein genügend, die Vermutung von Round zu widerlegen. Und während einige Namen, die die Endung -ing enthalten, zweifellos nichts mit dem Patronymikon zu tun haben, sondern andern Ursprungs sind, gibt es andere, die beinahe sicher oder doch wahrscheinlich Familiennamen sind. Wenn analogische Lautentstellung die Zahl der Namen auf -ing oder -ington auf der heutigen Karte vermehrt hat, so hat sie anderseits auch in einigen modernen Namen, wie Tewin in Hertfordshire und Ickleton in Cambridgeshire, ihre Herkunft von dem Patronymikon verhüllt (vgl. Skeat: Cambridgeshire Place Names S. 14-19; Bedfordshire Place Na

mes S. 34-35, 57-59; Hertfordshire Place Names S. 37-39; Taylor aaO. S. 353—55). All das berührt aber nicht die sehr schwierige Frage, ob, wenn derselbe Geschlechtsname an verschiedenen Orten vorkommt, das auf die Zersplitterung eines großen Clans hinweist oder auf das zufällige Vorkommen desselben Namens für ganz verschiedene Familiengruppen. Skeat, ebenso wie Kemble, neigen mehr zu ersterer Auffassung.

Reginald Lennard. Entbindung der Frau ging auf dem Geburtslager vor sich, das im Hause, so lange dies nur einen Raum aufwies, später im Frauengemach, auf dem Boden hergerichtet war, auf einem Ochsenfell oder einer Kuhhaut, die über Stroh und besonders wohlriechende Kräuter gebreitet war. Alles Weitere siehe bei Geburtshilfe.

Weinhold Dtsch. Frauen 13 83. Höfler Altg. Heilkunde. Hdb. d. G. d. M. I 474. Hansen Norsk Mag. f. Laegevidensk. 1885. Sudhoff.

Ente (Anas). A. Kulturgeschichtliches. § I. Die E. steht an Wichtigkeit für das germ. Altertum wie auch sonst hinter der Gans (s. d.) außerordentlich zurück. Eine größere Bedeutung für die Wirtschaft hat sie wohl erst im Mittelalter gewonnen. Immerhin wird sie als anedem domesticam schon in der Lex Salica (ed. Geffcken VII 4, 1; vgl. die Anm. S. 113), sowie in andern Gesetzen gelegentlich erwähnt. Die Weistümer wissen dann allerlei Bestimmungen anzuführen, die uns das Bild der Ente recht lebendig machen, also auf eine genauere Bekanntschaft mit dem Tiere hindeuten, und gegen das Ende des MA. war das fette Entenfleisch gelegentlich wohl vornehmer wie Gans und Huhn.

Hahn Die Haustiere. Leipz. 1896. S. 286 bis 290. Eduard Hahn.

B. Sprachliches. § 2. Der germ. Name der Ente reicht in die indogerm. Urzeit zurück. Germ. Sprachen: ahd. anut, anat, anit f. (i-Stamm), mhd. ant und ahd. anita swf., mhd. ente swf., nhd. ente f.; and. anath, anud f. (Gallée Vorstud. 10. 13), mnd. ān(e)t, plur. ände u. ende, nnd. ant; mndl. aent, e(e)nt, e(e)nd f., nndl. eend, dial. ant u. ent; nfries. saterl. dnt; ae.

anid, ened f., me. enede; anord. end f., dän. schwed. and. Urgerm. *anaðs, *aniðs f. hat seine Entsprechung in lat. anas (gen. anatis) f.; apreuß. antis, lit. ántis; abulg. qti 'Ente'; aind. atis 'ein Wasservogel'.

§ 3. Das Hoch- und Niederdeutsche hat eine gemeinsame Benennung für das Enten männchen: ahd. antrecho swm., mhd. antreche, nhd. enterich; mnd. antdrake und enderik. Aus dem Mnd. stammen adän. anddrage, ndän. andrik, schwed. anddrake. Über die Etymologie des Wortes s. Suolahti 423; Falk-Torp sv. and.

Suolahti Die deutschen Vogelnamen 419ff.
Johannes Hoops.

Enthauptung. Das Enthaupten (aschw. halshugga, anorw. afhofða, drepa hofuð af einum, ahd. forhoubitôn, lat. decollare, capite truncare) gehört zu den ältesten germanischen Todesstrafen. Es wird ursprünglich als rituelle Strafe an dem mit dem Haupt auf dem Blocke liegenden Verbrecher mit Schlegel und Barte vollzogen. Später findet sich die E. mit dem Schwert. Die E. war immer ehrliche Strafe. Das ab. geschlagene Haupt wurde allenfalls auf einem Pfahl aufgesteckt und so zur Schau gestellt.

Eine Besonderheit war das Abpflügen des Hauptes beim Grenzfrevler.

Lit. s. Todesstrafe.

v. Schwerin. Entmannung. Die E. kommt schon im ältesten Recht vor als rituelle Vorbereitung der Todesstrafe (s. d.). Außerdem ist die E. (aschw. gældinger, anorw. gelding, lat. castratio) Verstümmelungsstrafe (s. Leibesstrafen). Insbesondere wird sie als spiegelnde Strafe (s. d.) beim Notzüchter angewandt, der mit seinen Hoden büßen muß oder mit seinem Zeugungsglied (ags. betan mid his owende).

Endlich ist aber auch das nicht erlaubte Entmannen (aschw. snöpa, galda, anorw. gelda, lat. castrare) schwerste Körperverletzung (s. d.).

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ahd. madalger 'basilisca' (Ahd. Gl. III 602, 39; 10. Jh.), mhd. mädelger 'basilisca' (Björkman ZfdWf. 3, 271), nhd. obd. modelger, mödlgeer, magdalger 'Gentiana cruciata' (Schmeller Wb. 1, 1567; PritzelJessen 161); aber er ist auf Oberdeutschland beschränkt. Das Angelsächsische hat die farblose Bezeichnung feldwyrt 'gentiana', die in heutigen engl. Dialekten keine Fortsetzung findet.

§ 2. Im Norden gilt für Gentiana purpurea L. seit dem 13. Jh. der scherzhafte Name sēta 'Süße' wegen des bittern Geschmacks der Wurzel, die offizinell verwandt wurde. Der dänische Arzt Henrik Harpestreng († ca. 1244) beschreibt die Pflanze unter dem Titel:,,Basilisca seu genciana, skærseta" und gibt eine ausführliche Darstellung ihrer medizinischen Eigenschaften (abgedruckt von Holmboe Nyt Mag. f. Naturvidsk. 43, 3; 1904). Ihre offizinelle Verwendung im MA. geht wohl im wesentlichen auf Dioskorides 3, 3 zurück (s. Holmboe aaO. 2). Die Wurzel wurde in Norwegen nicht nur zum Hausgebrauch eingesammelt, sondern auch verkauft und exportiert. Schon seit dem Anfang des 15. Jhs. wird uns über Ausfuhr von Enzianwurzeln nach Schweden berichtet, wo die Pflanze bis auf den heutigen Tag baggsöta, dh. 'norwegische Süße', genannt wird (Holmboe 7). In Norwegen ist sie unter dem Namen søte, skjærsøte, setrot noch heute ein beliebtes Hausmittel bei Krankheiten von Menschen und Tieren (Schübeler Kulturpflanzen Norw. 88; Holmboe aaO. 6); aber infolge des jahrhundertelangen Einsammelns ist sie vielerorts selten geworden (Holmboe 16).

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mälern bezeichnet es einen königlichen Beamten und entspricht ungefähr dem mittelalterlichen comes. Häufiger aber weist es auf ein Mitglied der militärischen Aristokratie hin; ein bemerkenswerter Beleg hierzu ist die Beschreibung des jarl in der eddischen Dichtung Rigspula, die sich nicht auf einen bloßen Kriegsmann beziehen kann, sondern auf einen Anführer hindeutet, einen taciteischen princeps, der sich mit einer Schar auserwählter Jünglinge umgab. (V. 147—154.)

§ 2. Bei der Bestimmung der Bedeutung des Ausdrucks sind wir auf die frühesten Quellen beschränkt: Dichtungen und Gesetze. Die Eorls der Wikinger-Einfälle kommen für uns nicht in Betracht. In der Reimformel eorl and ceorl der Gesetze Alfreds haben wir offenbar nichts als ein fossiles Überbleibsel; wirkliche Eorlschaft muß in Quellen aus der Zeit vor 850 gesucht werden. In den kentischen Gesetzen des 7. Jahrhunderts erscheint der Eorl als eine aktive Realität: er gehört einer höheren sozialen Klasse an, erfreut sich eines höheren Wergeldes als der Ceorl; seinem Heim und seiner Familie wird ein höherer Schutz zuteil. Er gehörte augenEr gehörte augenscheinlich zu einer privilegierten Klasse militärischen Charakters, deren Mitglieder in Burgen wohnten und Kriegsgefolge hatten. Der Wanderer (V. 78-84) sagt in seiner Beschreibung der zerstörten Burg von dem Eorl, daß er ,,seine Mannen im Grabe verberge". Die Patriarchen mit ihrem großen Haushalt werden von dem Verfasser der Genesis als Eorls betrachtet.

§ 3. Wenn der Beweis auch nicht als ein absoluter angesehen werden kann, so legen die Zeugnisse doch dar, daß der Eorl nicht nur ein Kriegsmann, sondern zugleich ein Anführer von Kriegern in dem besondern germanischen Sinne war. Bemerkenswert ist die Leichtigkeit und Natürlichkeit, womit der Titel, nachdem er sich in langer Entwicklung von seiner germanischen Bedeutung entfernt hatte, plötzlich in seinem ursprünglichen Sinne wiedererscheint. Die Wikinger-Eorls des 9. Jahrhunderts können keine grundherrlichen Barone gewesen sein; sie waren ohne Zweifel Seeräuberführer, jeder an der Spitze eines comitatus.

§ 4. Verschiedene Theorien sind früher zur Erklärung der Eorlschaft aufgestellt worden. Lappenberg und Allen haben die Ansicht vertreten, daß die Eorls von der Krone ernannte Beamte waren; aber dies würde, überall wo die Institution erscheint, eine organisierte Monarchie zur Voraussetzung haben. Beinahe alle sind der Meinung, daß sie einen alten Erbadel bildeten, obgleich nicht alle einig sind hinsichtlich ihres Zusammenhangs mit dem comitatus. Ältere Schriftsteller, namentlich Waitz, verwerfen die oben ausgesprochene Ansicht, daß der Eorl der Anführer einer solchen Gefolgschaft gewesen sei.

Allen Essays and Monographs 293 ff. Kemble Saxons in Engl. I 135 f. Lappenberg Hist. of Engl. II 382. Larson King's Household in Engl. 75 ff. Stubbs Const. Hist. I 86. Waitz DVG. I 146 f. Chadwick Studies on Anglo-Saxon Institutions 161 ff. 380 ff.

L. M. Larson.

Eostra. Der ags. Name einer germanischen Frühjahrsgöttin, nach der das Osterfest genannt sein soll und aus dem man ein ahd. Ostara erschlossen hat. Das Wort findet sich nur bei Beda bei Erklärung des ags. Monatnamens eastor-mōnad: a dea illorum quae Eostrae vocabatur et cui in illo festa celebrabant nomen habuit (De ratione temp. Kap. 15). Während man

früher dies Zeugnis vielfach angezweifelt hat, sucht man es jetzt wieder zur Geltung zu bringen und das Wort zu lat. aurora zu stellen, und zwar im Hinblick auf die vedischen Hymnen an die Morgenröte, durch die man den Frühling begrüßte.

K. Weinhold Die deutschen Monatsnamen S. 52. W. Mannhardt WFK. I 505. Kluge ZfdWf. II 42. E. Mogk.

Erbfolgeordnung. § 1. Die germanische Erbfolge ist Erbfolge der Blutsverwandten, und zwar entscheidet grundsätzlich die Nähe der Verwandtschaft über die Berufung zur Erbschaft; der nähere Verwandte schließt den entfernteren aus. Wenn dieser Grundsatz gelegentlich dadurch durchbrochen wird, daß die Rechtsordnung nach anderen Gesichtspunkten gewisse Klassen von Erben bildet, denen sie je eine bestimmte Quote

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