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S. Müller Ordning II Nr. 308. 309. Rygh Norske Oldsager Nr. 381. 382. R. Beltz Altert. S. 382. Vedel Bornholm S. 133 Abb. 299. H. Willers Hemmoor S. 23. 28. 29. 187 f. Tf. I 8. Grempler Fund v. Sackrau II/III Tf. I, 2.

Nachrömische Fabrikate unterscheiden sich nur im Beiwerk von den vorigen, deren Form festgehalten wird. Vielfach treten zu den horizontalen Reifen noch vertikale Bronzebänder, an denen mitunter die Henkelösen befestigt sind. Letztere erscheinen vielfach mit durchbrochen gearbeiteten Attachen, deren Bandenden nach dem Geschmack der Zeit als Tierköpfe gebildet sind. Auch sonst werden die Bronzebeschläge verziert, gewöhnlich

durch Kreismuster, oder mit hängenden Dreiecken besetzt, die mit gestanzten bärtigen Masken gefüllt sind. (Vgl. Abb. 61.) Häufig in fränkischen, angelsächsischen und burgundischen Gräbern.

In Ungarn kommen in frühmittelalterlichen Gräbern Holzeimer mit Eisenreifen und Eisenhenkeln zahlreich vor.

Barrière-Flavy Arts industr. pl. 81, 1. 2. 3. Lindenschmit Altert. u. h. Vorz. III. II 6, 1. 2. (Lit. ebenda). Ders. Handb. d. dtsch. Altertk. I 476 Tf. 31, 1-4. GötzeHöfer Zschiesche Altert. Thüringens Tf. 22, 332. Hampel Altert. in Ungarn I 127 ff. Abb. 276-283.

Für noch weiteren Fortbestand der Holzeimer spricht ein Exemplar, dessen Bronzebeschläge verloren gegangen sind, aus einem Grabhügel der Wikingerzeit bei Mammen (Viborg), in dem auch ein oben erwähnter Bronzekessel (s. d.) gefunden worden ist. S. Worsaae, Mém. d. Antiquaires du Nord 1866/71 Tf. 9.

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Hubert Schmidt.

B. Eimer als Maß. § 3. Der E. (ahd. eimbar, einbar, mhd. einber, ember, emmer) war ein Flüssigkeitsmaß von mittlerer, im übrigen aber örtlich sehr verschiedener Größe. Dabei macht sich schon früh die Unterscheidung zwischen einem Landesmaß und den in der Regel kleineren, grundherrschaftlichen Kastenmaßen bemerklich. 1158 ad justiciam montis id est ut annuatim una urna vini quem ipsi consuetudine sua stecainper vocant. St. U. B. I456 an andern Stellen vini amphoras quas vulgari lingua stechaimper vocant I, 379, 600. Die Ableitung des Ausdruckes Eimer vom lateinischen amphora wird als möglich hingestellt, doch wird in Urkunden ebenso urna als gleichwertig behandelt und haben überdies die vor Einführung des metrischen Maßes in Deutschland und Österreich üblichen Landeseimer meist den Inhalt von 2 bis 3 römischen Amphoren zu 26,26 1 Inhalt gehabt.

§ 4. Der norwegische Eimer askr wird auf ungefähr 111/2 1 Inhalt veranschlagt, er wurde in Halbeimer, Vierteleimer oder Kannen, Achtel und Sechzehntel eingeteilt. Auf Island unterschied man einen Mannes- und einen Weibseimer: karlaskr und kvennaskr, der erste faßte 11/2 Weibs

eimer, der wieder 1/6 vom Wirtschaftseimer būskjōla war. Seit König Magnus lagabæter sollte in ganz Norwegen ein einheitlicher Eimer gelten.

v. Amira NOR. II 502.

A. Luschin v. Ebengreuth. Einbaum. § 1. Das Urbild des germanischen Seeschiffs ist nicht allein, nicht einmal vorwiegend im Einbaum zu suchen (s. Schiff § 4). Trotzdem haben Einbäume als primitive Fahrzeuge an den Küsten und im Binnenlande zweifellos eine große Rolle gespielt, wie sowohl geschichtliche Nachrichten, besonders aus der Zeit des römischen Vordringens nach Westdeutschland, als auch zahlreiche Funde erweisen. Ebenso scheinen einige Schiffstypennamen auf ursprüngliche Einbaumfahrzeuge zurückzugehen, so an. eikja, mnd. ēke ('Eiche', in der Sagazeit ein einfaches Boot ohne Kiel) und mlat. ascus, ae. æsc, an. askr (‘Esche'), welches jedoch bereits bei den salischen Franken im 6. Jh. ein größeres Fahrzeug bezeichnet (vgl. Schiffsarten § 8). Die zahlreichen Funde von Einbäumen, an der Nordseeküste meist aus Eichenholz, im Binnenlande vielfach auch aus andern Holzarten (Rotbuche, Rottanne usw.) bestehend, sind meist schwer zu datieren, da die gleichen Typen sich noch häufig in Deutschland und in den benachbarten europäischen Ländern bis in die Gegenwart erhalten haben.

§ 2. Obwohl daher Einbäume zweifellos bereits in der Stein- und Bronzezeit in Gebrauch waren, läßt sich doch kaum ein erhaltenes Exemplar diesen Perioden mit Bestimmtheit zuweisen. Unverkennbar ist im übrigen eine gewisse Entwicklung in der Bautechnik des Einbaums, die zum Teil beweist, was durch geschichtliche Nachrichten ohnehin bekannt ist, daß seine Verwendung in die Zeiten einer höher entwickelten Schiffbautechnik hineinreicht. Die einfacheren Typen sind in der Regel 3 bis 5 m lang, mit flachem Boden, meist allmählich in eine flache Spitze verlaufendem Vorder- und breiterem, unvermittelter abschneidendem Hinterende. Diese Bau. art hängt damit zusammen, daß für das Heck meist das Wurzelende, für das Vorderteil die Spitze des Baumes gewählt wurde. Das Innere ist in der Regel trogartig mit Hoops, Reallexikon. I.

geraden Seitenwänden, seltener flach muldenförmig ausgehöhlt, und zwar mit der Axt, wobei jedoch, wie vereinzelte Spuren zu zeigen scheinen, auch Feuer zuhilfe genommen wurde.

§ 3. Einen Fortschritt bezeichnet es nun, wenn die Höhlung durch einige stehenbleibende Reste des Baumkernes unterbrochen wird. Diese dienten gewissermaßen wie Spanten als stärkende Querverbände, zugleich wirkten sie bei hohem Wellengang als schützende Schotteinteilung, die auch beim Fischfang die Stelle von Behältern vertreten konnte, endlich als Sitze. Diese Einrichtung ermöglichte es, zu beträchtlicheren Größen überzugehen. Funde von 8 bis 10 m sind nicht selten; eines der größten Exemplare ist der Einbaum von Brigg, Lincolnshire, 1886 entdeckt, von 14,80 m Länge, 1,52 m Breite, 0,84 m Tiefe, aus einem einzigen gewaltigen Eichenstamm ausgehöhlt. Das Vorderende verläuft in dicker, plumper Rundung, das Hinterende ist durch ein eingelassenes Querbrett abgeschlossen. Mehrere ausgesparte Querspanten oder -schotten der oben beschriebenen Art sind vorhanden. In beiden Seitenwänden, etwas unterhalb von deren Oberkante, befindet sich eine Anzahl Löcher von 10 bis 15 cm Durchmesser, die vielleicht zum Durchstecken von Remen dienten, wahrscheinlicher aber zur Befestigung von Quersitzen, die zugleich verstärkend wie die Querschotten wirkten. Vermutlich nämlich wurde der Einbaum nicht mit Remen, sondern mit Paddeln vorwärtsbewegt (s. Remen). 30 Mann konnte der Einbaum wohl bequem aufnehmen. Der Fund, der auch vermöge seiner Lage wohl der Zeit der römischen Invasion zuzuschreiben ist, bietet daher eine bemerkenswerte Bestätigung der Nachrichten des Plinius (Nat. hist. XVI 76,2) und Tacitus (Hist. V 23), wonach die Kriegseinbäume der Nordseegermanen 30, selbst 40 Mann zu tragen vermochten.

§ 4. Von ähnlicher Art und nur wenig geringerer Größe als der Einbaum von Brigg sind ein 1876 am Loch Arthur, Schottland, entdeckter Einbaum, dessen Vorderteil einem Tierkopf ähnlich geformt ist, sowie der Einbaum von Valermoor, Schles

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wig-Holstein (jetzt in Kiel) von 12,30 m Länge, 1,30 m Breite und 0,57 m Raumtiefe. Dieser Einbaum ist durch II eingesetzte Spanten verstärkt, was ebenso wie die Herausarbeitung eines Kiels an beiden Enden des Schiffbodens auf die Existenz eines bereits entwickelteren Schiffbaues deutet; je II halbrunde Einschnitte in die oberen Bordränder auf beiden Seiten dien ten wohl zur Aufnahme von Sitzen (nicht von Remen). Die Einrichtung des Ausliegers zur Erhöhung der Stabilität des Einbaums scheint im germanischen Altertum unbekannt gewesen zu sein. Während die Einbäume als Kriegsboote auf der Nordsee nach dem 1. Jh. n. Chr. nicht mehr erwähnt werden, blieben sie in Binnengewässern noch lange ein vielgebrauchtes Fahrzeug. Noch im 9. Jh. befuhren die Normannen mit Einbäumen (uovouλa) die russischen Ströme und das Schwarze Meer.

Boehmer Prehistoric naval architecture of the North of Europe (Smithsonian Instit. Report of U. S. Nation. Museum 1891) 535-545. Zahlreiche Fundberichte in den lokalgeschichtlichen Zeitschriften, den Nachrichten über deutsche Altertumsfunde usw. Vgl. ferner die Aufsätze über alte Binnenschiffstypen im Korr.- Bl. d. deutsch. Ges. f. Anthrop. 33. bis 35. Jahrg. 1902-1904. W. Vogel.

Einhard oder, wie er selbst sich schrieb: Einhart (§ 1) wurde als Sohn edler und begüterter Eltern um 770 im Maingau geboren, im Kloster Fulda erzogen und vom dortigen Abte Baugulf eine Zeitlang vor 796 wegen seiner besonderen Fähigkeiten. an den Hof Karls d. Gr. geschickt, wo er noch unter Alkwin in der Hofschule seine Ausbildung vollendete und bald selbst ein geschätztes Mitglied im Gelehrtenkreise des Kaisers wurde, dem er persönlich nahetrat. Die unbedingte Zuverlässigkeit des kleinen, geschäftigen, feingeistigen Mannes wurde gelegentlich zu wichtigeren Missionen verwendet, seine philologische Durchbildung und stilistische Gewandtheit werden Karls Korrespondenz ebenso gedient haben, wie das für seinen Nachfolger Ludwig d. Fr. erweislich ist; vor allem aber betätigte er seine vielseitigen künstlerischen Talente als Begutachter und Beaufsichtiger der kaiserlichen Bauten (wie des Aachener Münsters)

und andrer Werke der bildenden Kunst, und daß dies der hervorstechendste Zug seines Wirkens am Hofe war, beweist der Beiname Beseleel, der ihm nach dem alttestamentlichen Werkmeister der Stiftshütte im Kreise seiner gelehrten Freunde erteilt wurde. Von Karl und seinem Nachfolger wurden seine Verdienste durch Übertragung angesehener Abteien, wie St. Peter und Paul in Blandigny bei Gent und St. Bavo in Gent, St. Servaz in Maastricht, St. Cloud bei Paris, zeitweilig auch St. Wandrille und der Johanniskirche in Pavia auf das reichste belohnt, so daß E. ein vielvermögender Mann wurde. Er selbst blieb Laie und war vermählt mit Imma, die die nur von einer späten, im 12. 12. Jahrh. auftauchenden Sage durch Verwechselung mit Bertha und deren Verhältnis zu Angilbert fälschlich zur Kaisertochter gemacht worden ist.

§ 2. Nach Karls Tode (814) hat es E. für eine Pflicht der Treue und Dankbarkeit

gehalten, ihm ein literarisches Denkmal zu setzen. Die Vita Karoli Magni ist nach den neueren Forschungen schwerlich gleich nach des Kaisers Hinscheiden in Angriff genommen, ausgeführt sicher nach 817, und vermutlich sogar erst in der ersten Hälfte der zwanziger Jahre, da ihr Vorkommen in einem Reichenauer Bibliothekskatalog von 821, hinsichtlich dieses Datums wenigstens, keineswegs als gesichert gelten darf. Die erste sonstige Erwähnung fällt spätestens in das Jahr 836.

§ 3. Für die Beurteilung des verhält. nismäßig kurzen Werkes wird man sich stets an die Eingangsworte E.s halten müssen, er wolle Leben und Wandel und zum nicht geringen Teil auch die Taten Karls niederschreiben. Da er die Taten, obwohl sie die erste Hälfte des Büchleins füllen, nicht vorab nennt, so sind sie für ihn nicht Hauptthema. Fast alle Vorwürfe aber, die von neueren Forschern gegen seine historiographische Arbeitsweise erhoben sind, richten sich eben gegen diesen Teil. E. hat seinen Stoff dazu, soweit er ihn nicht (wie z. B. bei der Erzählung vom Untergange Rolands in c. 9) aus besonderer Kenntnis ergänzte, im wesentlichen, wie jetzt als festgestellt gelten darf, ihm vorliegenden Annalen.

entnommen (insbesondere der fälschlich unter seinem Namen gehenden Überarbeitung der Reichsannalen oder noch wahrscheinlicher einem dieser zu Grunde liegenden verlorenen Werke bis 805, das auch als Chronik von St. Denis bezeichnet zu werden pflegt). Indem er seine Exzerpte daraus literarisch ausgestaltete, hat er sich nach der strengen Prüfung moderner Forscher sachlich manche Ungenauigkeiten, Mißverständnisse und irrige Erweiterungen zu Schulden kommen lassen. Ist danach sein Anspruch auf Genauigkeit der Arbeit nicht allzu groß, so treten doch auch hier schon Auswahl und Gruppierung des Stoffes für seine Zeit bedeutend genug hervor.

§ 4. Aber erst das in der zweiten Hälfte der Schrift behandelte Hauptthema: Leben und Wandel des großen Kaisers hat ihr ihren unvergänglich hohen Wert verliehen, denn hier erst berichtet E., der auch von den späteren Feldzügen Karls schwerlich einen einzigen mitgemacht hat, als Augenzeuge aus dem reichen Schatze einer vieljährigen vertrauten Erfahrung, als lebhafter und nüchterner, liebevoller und wahrheitsgetreuer Beobachter, und formt seinen Stoff als ein sorgfältig und geschmackvoll ziselierender Künstler, trotz der Eleganz der Sprache stets auf das Sachliche gerichtet, jeder leeren Lobrednerei gründlich abhold, auch das allzu Menschliche seines Helden nicht verschleiernd, überall mit feinem Urteil über dem Stoffe stehend und die Einzelheiten ursächlich verknüpfend. Freilich wird hier ein anderer Vorwurf gegen ihn erhoben. Weil E., der sich auch sonst eifrig an den Schriften der Alten bildete und auch Griechisch verstand, seinem Werke eine Anzahl von Biographien Suetons, namentlich diejenigen des Augustus und Titus, als Muster für Anordnung, Fragestellung, und Phrasenschatz weitgehend zu Grunde gelegt hat, so soll Karls Bild einigermaßen verunechtet, seine Originalität getrübt sein, der germanische Volkskönig im Gewande des römischen Imperators erscheinen. Diese L. Ranke oftmals nachgesprochene Meinung trifft doch eigentlich nur insofern zu, als die Fremdsprache an sich eine gewisse Un

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freiheit und Trübung bedingt. Sofern sie mehr sagen wollte, würde sie zu sehr vom absoluten Standpunkte, zu wenig aus den zeitlichen Bedingtheiten heraus urteilen. In einer Epoche, in der es dem befangenen Geiste auch des schärfsten Beobachters schlechterdings nicht gegeben war, ein freies, tiefdringendes und vielseitiges Bildnis mitlebender Persönlichkeiten im antiken oder modernen Sinne zu entwerfen, war es ein ungewöhnlich gescheidter Gedanke, Muster einer Zeit ungebundeneren Geistes zur Anregung, Erweiterung und Ordnung der eigenen Beobachtungsgabe zu verwerten. Und nur so hat E. sie verwertet. Nirgends hat er die von ihm gesehene Wirklichkeit auch nur im geringsten entstellt, selbst herübergenommene Suetonsche Phrasen sind so sorgfältig abgewandelt oder in ihr Gegenteil verkehrt, daß man gerade aus der Vergleichung von Vorlage und Text noch kleine Züge zur Schilderung des Kaisers gewinnen kann, die bei der Lektüre der Vita allein nicht hervortreten würden (beispielsweise, daß Karl sich nicht selbst anzukleiden pflegte, was aus dem amiciretur in c. 24 allein nicht sicher zu entnehmen wäre, aber aus der Abänderung der Suetonstelle ,,ipse sese amiciebat" erhellt). Man mag bedauern, daß die Suetonschen Kategorien nicht noch mannigfaltiger waren, daß sie für gewisse Seiten des mittelalterlichen Lebens (z. B. die bei E. arg zu kurz kommende Kirchenpolitik Karls oder seine bewunderungswürdige ländliche Wirtschaftsfürsorge) keine Anregungen bieten konnten. Aber daß das Bild Karls, des gealterten kaiserlichen Herrschers, der ja nicht mehr bloßer germanischer Volkskönig war, durch die Benutzung jener Kategorien und Phrasen in irgendeinem Zuge entstellt sei, daß es uns inhaltlich auch nur entfernt wie das eines altrömischen Imperators anmute, kann man unmöglich behaupten. Andernfalls würde E. uns wohl auch nicht so wertvollen Stoff für die germanische Altertumskunde im eigentlichsten Sinne überliefert haben, wie er es in c. 29 tut, wo er von Karls Rechtskodifikation, der Aufzeichnung alter Heldenlieder, dem Versuch einer deutschen Grammatik und der deutschen Namengebung für Monate und

Winde berichtet. Jene Suetonschen Vorbilder haben nur gefördert, nirgends geschadet, ihre Benutzung war für E. ein heuristisches Prinzip allerersten Ranges, wie es in jener Zeit nicht besser zu finden war. Erst als in der Renaissance unter der Einwirkung wiederum der Antike die Geister eine Stufe höher emporgehoben waren, wurde dergleichen entbehrlich. Für E. hat es wesentlich dazu beigetragen, die Überlegenheit seiner Biographie über alle. andern des Mittelalters zu begründen. Natürlich spielt dabei auch die reiche und gewaltige Persönlichkeit seines Helden eine gewichtige Rolle; kaum ein andrer bot solchen Stoff! Aber umgekehrt verdankt doch auch Karl seinem Biographen ein gut Teil seiner ungeheuren, nie versiegenden Popularität in Mittelalter und Neuzeit, denn sieht man von Paulus Diaconus und Martin von Troppau ab, so ist uns kein mittelalterliches Geschichtswerk in so zahlreichen Handschriften (mehr als 80) überliefert, wie die Vita Karoli, die nach E.s Tode von Walahfrid Strabo in Kapitel geteilt und mit einem für E.s Lebensgeschichte wertvollen Prolog versehen worden ist.

§ 5. Leider ist die Vita das einzige eigentliche und sicher beglaubigte Geschichtswerk, das E.s Feder entstammt. Wohl haben zahlreiche Gelehrte für ihn einen Anteil an wichtigen Annalen seiner Zeit (den fränkischen Reichsannalen, den Annales Fuldenses und Sithienses) in Anspruch genommen und das namentlich durch Stilvergleichung zu erweisen versucht; aber es sind das Hypothesen, denen die neueste Forschung ablehnend gegenübersteht, und die daher zu einer Umschreibung der historiographischen Bedeutung E.s zur Zeit keinesfalls verwendet werden dürfen (vgl. darüber den Artikel: Geschichtschreibung, B. Karolingerzeit).

§ 6. E. blieb auch unter Ludwig d. Fr. noch lange in der gleichen Stellung, wurde 817 dem jungen Mitregenten Lothar als Berater beigegeben, begann sich aber in den zwanziger Jahren vom Hofe fortzusehnen und, wie es scheint, länger und häufiger der Verwaltung seiner Abteien. und der Bewirtschaftung seiner Güter zu widmen, die 815 durch Geschenk des

Kaisers noch um Michelstadt im Odenwald und Mühlheim am Main vermehrt waren. Dorthin, zunächst in die von ihm gebaute und noch erhaltene Kirche zu Steinbach bei Michelstadt, dann nach Mühlheim, das nun bald den Namen Seligenstadt erhielt, ließ E. 827 die Gebeine seiner hochverehrten Heiligen Marcellinus und Petrus bringen, die ihm sein Notar Ratleik in Rom klug und dreist durch Einbruchsdiebstahl gewonnen hatte. Ihrem Dienste widmete E. vorwiegend den Rest seines Lebens, zog sich 830, als die Verhältnisse am Hofe durch den wachsenden Einfluß der Kaiserin Judith immer unerfreulicher geworden waren, und die erste Empörung ausbrach, nach Seligenstadt zurück, zeichnete noch im gleichen Jahre (die abweichende Datierung von M. Bondois ist verkehrt) die Translation und Wunder der heil. Marcellinus und Petrus in 4 Büchern auf, verherrlichte wahrscheinlich auch in einer rhythmischen Dichtung ihre Passion (MG. Poet. lat. II, 125 ff.; Bondois bezweifelt E.s Autorschaft), errichtete ihnen ein Kloster und in den nächsten Jahren die im Umbau erhaltene schöne Basilika. Jene Schrift ist mehr ein religiöses Erbauungsbuch, als ein Geschichtswerk und zeigt das schon durch den von der Vita stark abweichenden, unklassischeren, schlichteren Stil. Das Interesse an der Erhöhung seiner Heiligen und ein weitgehender religiöser Aberglaube, der selbst in jener Zeit bei einem Manne seiner Bildung und seiner auch in Fragen des Kultes theoretisch maßvollen Anschauungen (vgl. seine Abhandlung über die Verehrung des Kreuzes MG. Epp. V 146 ff.) auffällt, gehen hier Hand in Hand. Gleichwohl ist auch hier E.s Ehrlichkeit unverkennbar, die naiv-treuherzige, anschauliche Erzählungsweise reizvoll genug und der kulturgeschichtliche Wert des Werkes nicht gering.

§ 7. Der Einhard seiner besten Zeit ist es freilich schon nicht mehr, der hier zu uns spricht; Krankheit, Alter und politische Verstimmung hatten ihm stark zugesetzt und seinen getrübten Sinn mehr und mehr der Weltfreude abgewandt. So zeigen ihn auch seine diesen Jahren (zumeist 825-836) angehörenden Briefe, die

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