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festeren Boden schaffen. Dabei wird dem Spaten die Entscheidung zukommen, doch der Name kann die Stelle weisen, wo die Ausgrabung Erfolg verspricht.

III. Die Besiedelung von 500-800 (bzw. 900).

§ 80. Die Errichtung des salfränkischen Reiches bildet in der Siedelungsgeschichte einen ebenso wichtigen Abschnitt wie in der Staatengeschichte. Mit der Unterwerfung der deutschen Stämme unter die Frankenmacht (496 wird das Alemannenreich, 531 das der Thüringer vernichtet), kommen die Wanderungen der Völker zur Ruhe. Die Änderungen im staatlichen, rechtlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben, die sich allmählich durchsetzen, schaffen wesentlich andere Faktoren der Besiedelung, die dann in weiterer Entwicklung die gesamte übrige Zeit bis zum Ende des 13. Jhs. beherrschen. Die ersten Jahrhunderte bilden noch eine Periode des Übergangs, bis die Regierung Karls des Großen die Ergebnisse der vorigen an Keimen reichen Zeit zusammenfaßt und die Grundlagen für die Zukunft legt.

1. Das deutsche Wohngebiet und die Slawengrenze.

§ 81. Der äußere Umfang des deutschen Wohngebiets erfährt in den drei Jahrhunderten von 500-800 insofern eine wichtige Veränderung, als die schon vorher von den Ostgermanen verlassenen Länder östlich der Elbe nun von den Slawen besetzt werden. Seit dem 6. Jh. dringen diese westwärts vor. Das fast menschenleere und sicherlich auf weite Strecken hin offene, waldarme Land durchschreiten sie schnell, sodaß sie schon früh an der Elbe und Saale erscheinen und vielleicht im Laufe des 7. Jhs. auch über die Saale hinüber nach Thüringen hinein gelangen. Gleichzeitig rücken sie durch die Lücke zwischen Fichtelgebirge und Böhmerwald vor und besetzen das Gebiet des oberen Main mit seinen Nebenflüssen. Auch südlich von der trennenden Mauer des Böhmerwaldes schieben sie sich weniger am Alpenrand als in den großen Längstälern der Ostalpen bis nach Tirol hinein

vor.

§ 82. Die Grenze deutschen und slawischen Volkstums hat während dieser Jahrhunderte sicherlich im einzelnen vielfach geschwankt, bis sie durch Karl den Großen für längere Zeit festgelegt wurde. Dem alten römischen Limes entsprechend schloß Karl seinen eigentlichen Herrschaftsbereich gegen Osten durch den Limes sorabicus ab (805). Doch war dies nicht, wie sein Vorgänger, eine befestigte, mit Kastellen versehene Militärgrenze, sondern nur eine politisch festgesetzte Linie oder vielmehr ein breiterer Grenzbezirk. Die Slawen, von Karl durchaus als Untertanen betrachtet, durften ihn nicht überschreiten; deutsche Kaufleute durften nur bis zu einzelnen besonders bezeichneten Punkten wie Bamberg, Erfurt, Magdeburg, Bardowiek, ostwärts vorgehen; Waffenausfuhr war verboten. Die Grenze folgte von der Donau bei Linz dem Böhmerwald, umging dann westlich das Gebiet der oberen Naab und des oberen Main mit der Regnitz und Pegnitz, überschritt den Frankenwald und schloß sich der Saale bis zu ihrer Mündung an. Die Altmark blieb sodann auf der slawischen Seite; doch erreichte die Grenze bei Lauenburg wieder die Elbe und zog von hier (seit 808) nordwärts zur Kieler Bucht. (Meitzen Siedelg. u. Agrarw. I 37 und Übersichtskarte im Atlasband; Honigs. heim, der,,limes sorabicus“, Z. d. Ver. f. thüring. Gesch. 1906, 303-322.)

§ 83. Diese Teilung Mitteleuropas zwischen Deutsche und Slawen hat für die weitere Entwicklung grundlegende Bedeutung. Alle Einwirkungen auf die Besiedelungsfläche, die mit dem fränkischen Einfluß zusammenhängen, können sich fürs erste nur westlich des limes sorabicus geltend machen. Im Slawenland bleiben die geographischen Zustände des Altertums bestehen, bis später die Germanisierung einsetzt.

2. Die fränkische Siedelungs

weise.

§ 84. Die Tätigkeit der Franken nimmt das Werk der Römer auf deutschem Boden wieder auf. Die unmittelbaren Spuren römischer Zivilisation waren bis auf einige Reste von Römerstädten und Römer

straßen unter den Stürmen der Völkerwanderung verloren gegangen. Jetzt aber zeigten sich die mittelbaren Wirkungen. Die anregende Berührung mit den überlegenen wirtschaftlichen und politischmilitärischen Einrichtungen des Römerstaates begann bei den Germanen selbst neue Früchte zu tragen; und während die ostgermanischen Völker bei ihren Staatengründungen in südeuropäischen Ländern in römischem Wesen aufgingen, die norddeutschen und innerdeutschen Stämme aber der unmittelbaren Berührung entrückt waren, fiel den salischen Franken der Beruf einer fruchtbaren Vermittelung zu. Ihr festgefügter Staat behielt in seinem austrasischen Teil bei allem Übernommenen doch von Grund aus deutsches Gepräge. Seine Macht und seine Einrichtungen waren es vor allem, die das Verhältnis der deutschen Bevölkerung zu ihrem Boden und damit das ganze Siedelungswesen auf eine andere Grundlage stellten.

§ 85. Die Veränderung gegen früher besteht zunächst darin, daß die Übersiedelung großer Volksteile in andere Landschaften nicht mehr auf dem Wege der volkstümlichen Wanderung erfolgt, sondern durch ein Machtgebot des Herrschers bestimmt wird. Die Form der Landbesetzung durch ganze Volksgruppen, wie sie in der Wanderzeit den Typus bildete, geschieht auch jetzt noch häufig; aber es ist die Staatsmacht, die hier ein erobertes Land mit fränkischen oder befreundeten Kolonisten besetzt, dort Teile eines unterworfenen Volks aus ihrer Heimat in andere Gegenden des Reiches verpflanzt.

§ 86. So kamen nach dem Fall des Thüringerreiches Franken in das Maingebiet, und einige Zeit später Hessen, Friesen und,,Nordschwaben" in das Land nördlich der unteren Unstrut, nachdem die sächsischen Eroberer von 531 es wieder verlassen hatten. So siedelte Karl der Große mehrfach Sachsen in verschiedenen Teilen des Reiches an (Inama DWG. 276 ff.) Die natürliche Ausbreitung der Germanen von ihrer Heimat an der Ostsee, entlang den geographisch vorgezeichneten Wegen, wird abgelöst von einer Durcheinanderwürfelung der Stämme aus politischen

Gründen, die sich nicht nach dem geographisch Naheliegenden richtet und ihr Aktionszentrum an anderer Stelle, im Niederrheingebiet hat.

§ 87. Doch auch die Form der Landbesetzung und Besiedelung selbst verwandelt sich. Die Technik des Ackerbaus wird gehoben; müssen wir doch in dieser Übergangsperiode die Entwickelung der Dreifelderwirtschaft (s. d.) annehmen. Vor allem beginnt man jetzt die Wälder durch Sengen und Roden mehr zu lichten, und in den Niederlanden entwickelt sich bereits die von römischen Anregungen ausgehende Technik des Wasserbaus, sodaß die die Friesen schon im 8. Jhrdt. ihretwegen gerühmt werden (Blok, Gesch. d. Niederlande I). Im Binnenlande wird diese schwierige Aufgabe nur schwierige Aufgabe nur bei kleineren Sümpfen vorgenommen, wobei sich die Benediktiner vor allen betätigen.

§ 88. Für die Durchführung und Ausbreitung solcher Errungenschaften ist aber wieder die staatlich-soziale Organisation von höchster Bedeutung. Alles zielt auch hier darauf ab, an die Stelle der ursprünglichen volkstümlichen Besiedelung eine planmäßige Kolonisation unter höherer Leitung zu setzen. Dabei tritt neben der (jetzt zwangsweisen) Massenwanderung ganzer Volksgruppen die Wanderung einzelner Personen oder Familien in den Vordergrund, die, in kleinen Schritten erfolgend, sich doch zu großen, später noch unendlich gesteigerten Bevölkerungsverschiebungen summiert.

$89. Sehr wesentlich, eigentlich grundlegend für die Besiedelung in dieser Zeit ist die fränkische Rechtsauffassung, nach der alles herrenlose Land dem König zu eigen gehört. Sie wurde nicht nur auf wirklich herrenloses und unbesiedeltes Land angewendet; sondern es wurde auch oft ein Gebiet kraft des Rechts der Eroberung einfach als herrenlos und königseigen erklärt. Der Bericht über die Gründung Fuldas durch Sturm MGS. II 365 und andere Urkunden lassen erkennen, daß die stets wiederkehrenden Ausdrücke eremus und vasta solitudo nicht tatsächliche Einöden bezeichnen das Fuldatal hatte schon vorher eine schwache Bevölkerung, wie durch Ausgrabungen festgestellt ist;

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sondern es sind nur Ausdrücke für das zu besetzende und zu kolonisierende Land. Im allgemeinen aber handelt es sich doch um Waldgebiete, die, noch kaum bewohnt, nun der Besiedelung erschlossen werden. Aus dem eremus“ wird ein Stück herausgeschnitten, nach feststehenden Regeln abgegrenzt und der Bebauung überwiesen. Die Neuanlagen waren von großer Ausdehnung; in einem besser beglaubigten Fall hat sich eine Fläche von 81 qkm ergeben (Inama DWG. 283 ff.).

§ 90. So bestand, wie Rübel in der Hauptsache wohl richtig erkannt hat, ein einfaches, klar ausgebildetes System der Besiedelung, das schon in merowingischer, häufiger in karolingischer Zeit überall im Reich angewendet wurde. Soweit die Besiedelung unmittelbar vom König ausging, waren vorwiegend militärische und verwaltungstechnische Gesichtspunkte maßgebend. Königsgüter mit einem.

ge

schlossenen Wirtschaftsland von oft beträchtlicher Größe lagen im Reich zerstreut. Sie dienten als wirtschaftliche Unterlage für die königliche Hofhaltung, die Beamtenschaft und die Heere und bildeten die Stützpunkte der fränkischen Macht. Eine Reihe von Burgen und Reichshöfen mit Königsgut sicherte später die Straße des Hellwegs, die ins Sachsenland führte.

§ 91. Wohl drang die unmittelbare

Staatskolonisation an manchen Stellen schon in das Waldland hinein, die große Erweiterung der Besiedelungsfläche geschah aber wohl mehr mittelbar, durch Verleihung des Königslandes an Grundherren. Die aus den spätrömischen Zuständen übernommene Grundherrschaft (s. d.) wird in verschiedener Form zur eigentlichen Trägerin der Innenkolonisation. Dabei steht die Kirche in der Zeit vor

800 noch weit voran. Ihre Tätigkeit geht

mit der staatlichen Hand in Hand, richtet sich aber hauptsächlich gerade auf den Ausbau des Landes. Die Klöster werden fast sämtlich in kaum bewohnten Gegen den angelegt, sie sind vor allem die Träger der verbesserten Technik im Feldbau, sie führen Weinbau und geordnete Gartenanlagen ein.

Hoops, Reallexikon. I.

§ 92. Weniger umfangreich war in dieser Zeit noch der Ausbau durch weltliche Grundherren. Doch fehlt es auch hierfür wenigstens aus dem 8. Jh. nicht an Beispielen, besonders am Niederrhein und in Bayern (Inama DWG. 288). Neben diesen großen Neuanlagen tritt der Ausbau durch Markgenossen und einzelne kleine Besitzer mehr und mehr zurück. Doch verschwinden allmählich die öden Grenzländereien, die auch im offenen Lande die Besiedelungsfläche durchzogen. Überall kommt das Prinzip fester Grenzlinien zur Durchführung.

§ 93.

Faßt man alles zusammen, so

hat die Anbaufläche sowohl wie die Intensität der Bebauung in diesem Zeitraume schon erheblich zugenommen, und damit muß auch die Bevölkerung s zahl gegen die Urzeit nicht unbedeutend gewachsen sein. Wiederum nur eine Vorstellung von der Größenordnung gibt es, wenn Beloch sie für die Zeit um 800 wie folgt veranschlagt: für die deutschen Teile des heutigen Deutschen Reichs. (350 000 qkm) 3 Millionen Bewohner, also 9 auf 1 qkm; für die slawischen (200 000 qkm nur wenige Hunderttausend. Gleichwohl hatte sich das Gesamtbild des Landes noch wenig geändert. Es blieb bei inselförmigen Siedelungsflächen, von breiten Wäldern oder Sümpfen eingefaßt. Die jetzt auch staatlich organisierten Gaue waren landschaftlich immer noch mehr oder weniger getrennt und individualisiert.

Rübel Franken. (zu den Ansichten R.'s vgl. jedoch die sehr eingehende kritische Besprechung des Werkes von Brandi in den GGA. 1908.) v. Inama-Sternegg DWG., bes. 273-299. Meitzen Siedelg. u. Agrarw II 271-367. Kötzschke D. Wirtschaftsgesch., in Meisters Grundr. d. Geschichtswiss. II 43-48, 56-65. Arnold 241-286. Beloch Bevölkerung Europas im MA. Z. f. Sozialwiss. 3, 1900. 3. Geographischer Überblick.

§ 94. Welche Landschaften unter dem Einfluß des fränkischen Systems schon vor 800 einen stärkeren Ausbau erfahren haben, läßt sich nach der historischen Überlieferung einigermaßen beurteilen, wenn man die geographischen Verhältnisse mit berücksichtigt. Folgt doch die ganze Entwicklung der Ausbreitung der Franken

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