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'celia' gruzzinc, gruz. Der Ausgangspunkt dieser zweiten Biersorte scheint Oberdeutschland zu sein: von dort her stammen die Formen grusinc (Mnd. Wb.) resp. gruysing (Kiliaen), die neben grūt(beer), gruyt(beer) auf nd. resp. nl. Boden heimisch geworden sind. Aber die höchst interessante Wirtschafts- und Rechtsgeschichte des 'Grutbiers', wie sie Al. Schulte gezeichnet hat, spielt sich hauptsächlich im niederdeutschen Nordwesten ab. Sie reicht urkundlich hinauf bis zu dem Diplom Ottos III. v. J. 999 (MG. Dipl. O. III Nr. 312), welches der Kirche von Utrecht u. a. verleiht: negotium generale fermentatae cervisiae quod vulgo grut nuncupatur. Die eigentümliche Bedeutungsverschiebung des Wortes hängt mit der Natur der Bitterstoffe zusammen, welche für diese 'cerevisia fermentata' oder das 'fermentum', wie es anderwärts heißt, verwendet wurden.

§ II. Der Zusatz von Bitterstoffen zum Bier ist uralt: in erster Linie dient der Bitterstoff dazu, das Bier haltbar zu machen, dann wird er als gesundheitsfördernd erkannt, zuletzt als Gaumenreiz empfunden. Die Zahl dieser, wohl durchweg vegetabilischen, bittern Ingredienzien ist recht groß gewesen, bis der Hopfen alle andern aus dem Felde schlug. Für das II. Jh. bezeugt Hildegard u. a. die Verwendung von Eschenblättern als Ersatz für Hopfen (Migne, Patr. lat. 197, col. 1226). Von den wildwachsenden Pflanzen haben aber zwei eine besondere Bedeutung als Handelsartikel, und speziell im Zusammenhang mit dem Grutbier, gewonnen: der Ga a gel (Myrica gale) und der Sumpfporst (Ledum palustre). Als grut, gruyt bezeichnete man nun am Niederrhein und

in Westfalen und den Niederlanden durch Jahrhunderte hindurch eine Bierwürze, welche mit solchen Kräutern versetzt war, dann aber auch einerseits das daraus hergestellte Bier, anderseits den Extrakt der Kräuter, ja diese selbst, insbesondere den Porst (s. Mnd. Wb. und Pritzel-Jessen S. 206). Und diese ganze Entwicklung geht von einem Worte aus, das ursprünglich nichts anderes als 'Körnchen', im Altenglischen aber feines Mehl' bezeichnet ! Wenn anderseits in englischen Glossen des 15. Jhs. growt als Übersetzung von 'idromellum, agromellum' auftaucht, so kann diese gleiche Bedeutungsverschiebung nicht gut spontan sein: sie ist unter der Einwirkung des festländischen grut erfolgt.

Gegen den Ausgang des MA. wird die Bedeutung aller dieser Bitterstoffe durch den Hopfen verdrängt, und diese letzte Verschiebung vollzieht sich innerhalb Norddeutschlands: sie geht von den niedersächsischen und wendischen Hansestädten aus. Der Hopfen hatte damals schon in Deutschland eine Kulturgeschichte von reichlich sieben Jahrhunderten hinter sich. Sein Anbau ist im Frankenreiche seit 768 bezeugt, und zwar sprechen die besondern Hopfengärten (humularia) von vornherein für eine industrielle (nicht nur offizinelle) Verwendung, wie denn auch der Zusammenhang mit der Biererzeugung schon durch frühe Zeugnisse, direkt und indirekt, gesichert ist (s. Hoops und Heyne). Nach dem Norden sind diese Hopfengärten (s. Hoops S. 649, Fritzner s. v. humlagarðr) spätestens im 13. Jh. gelangt, über den ersten Anbau des Hopfens in England sind wir nicht unterrichtet: er hat jedenfalls vor dem 16. Jh. keine nennenswerte Bedeutung gehabt. Die Hopfenkultur war nicht nur von Boden und Klima der Landschaft abhängig, sondern scheint auch durch eine Folge ungünstiger Ernten und andere Umstände zeitweise an Stellen, wo sie blühte, wieder in Abnahme gekommen zu sein. So finden sich in den Traditionen des Hochstifts Freising (ed. Bitterauf) siebenmal humularia erwähnt, aber alle diese Belege fallen in die Zeit zwischen 859-895, wahrscheinlich drängen sie sich in einen noch kürzeren Zeitraum zusammen. 'Sauerbier' und 'Süßbier' dürften also im MA. zu

allen Zeiten neben dem Bitterbier eine Rolle gespielt haben.

§ 12. Neben dem Erzeugnis für den täglichen Gebrauch, wie es in der Hauswirtschaft, auf den großen Gutshöfen und in den Klöstern regelmäßig hergestellt wurde, gab es zu allen Zeiten ein stärker eingebrautes Bier für Familienfeste (wie die gruz des Liubene § 10) und große Gelage. In der ältesten Zeit sind auch die sacralen Anlässe zu bedenken: Columban traf in der Bodenseegegend die heidnischen Alemannen um eine mächtige Kufe mit Bier versammelt, die sie zu Ehren ihres Gottes Wodan leerten (Vita Columbani c. 53). Das Bier in erster Linie, und nicht der Met (wie die konventionelle Darstellung der altgerm. Zeit es will) ist das Getränk bei festlichen Schmausereien. übersetzt schon eine ahd. Canonesglosse des beginnenden 9. Jhs. das lat. 'convivium' mit bior (Ahd. Gll. II 146, 20). Neben elpr n. heißt im Nordischen auch das einfache gl 'Trinkgelage' (s. Fritzner s. v.), und auch im Beowulf darf man für æt bēore ohne

So

weiteres 'in convivio' sagen. Vgl. dazu unser Erntebier, Gildebier, Kindelbier usw.

§ 13. Das Mälzen und Brauen war, wie das Backen (oben S. 150), in der altgerm. Hauswirtschaft allein S a cheder Frau: im Eingang der anord. Hálfssaga Cap. I läßt Kg. Alrek seine beiden Gemahlinnen in der olgerð um seine Gunst und ihren Verbleib im Hause streiten. Obwohl in den Klöstern und auf den großen Gutshöfen (vgl. Cap. de villis 61) naturgemäß Männer damit beauftragt wurden, blieb das Bierbrauen bis zum Ausgang des MA. vielfach ein weibliches Geschäft, Amt und Gewerbe. Caesarius von Heisterbach Dial. mir. VIII 62 erzählt von einer braxatrix im Dienste der Zwölfapostelkirche zu Köln. Für Frankfurt a. M. rechnet Bücher (Frauenfrage im MA.2 S. 80) das Bierbrauen noch zu den Gewerben, in welchen die Frauen überwiegen, auch in Lübeck ist ihre Konkurrenz bezeugt, während sie anderwärts (so in Lüneburg) zu fehlen scheinen. In England lebt die Erinnerung daran fort in den Zunamen und spätern Familiennamen Brewster und Maltster (Bardsley A Dict. of engl. and welsh surnames, 1901, p. 132, 510).

§ 14. Die ideale Einrichtung eines frühmittelalterlichen Brauhauses zeigen uns die von Heyne S. 343 wiedergegebenen Ausschnitte aus dem S. Galler Grundriß, wo dreimal Brauhäuser, immer in Verbindung mit der Bäckerei, eingezeichnet sind. Die Verbindung von Brauen und Backen. hat sich am längsten in Westfalen erhalten. § 15. Über Bier, Malz und Hopfen als Gegenstände des Handels ergeben erst die Quellen des 2. Jahrtausends nähere und beständig wachsende Aufschlüsse. Die Anfänge dieses Handels fallen aber noch in die frühe Zeit: zunächst sind daran die großen Klöster und die Herrenhöfe beteiligt, in späterer Zeit wird der Handel mit Bier und Hopfen so gut wie die Erzeugung des Bieres ein bürgerliches, städtisches Gewerbe.

Hehn 7 142-154 (Bier). 473–48ɔ (Hopfen). Schrader Reallex. 88—92 (das meiste und beste aus Hehn). Hoops Waldb. u. Kulturpfl 614f. 649 f. Wackernagel Kleine Schriften I 86 ff. (= ZfdA. 6, 261 ff.). Volz Beitr. 2. Kulturgeschichte 149-153. Müllenhoff DA I 195 f. VI 342 ff. Heyne Hausaltert. II 336-351. Al Schulte Vom Grutbiere, Ann. d. hist. Ver. f. d. Niederrhein Heft 85, 118-146.

Edward Schröder.

Bil und Hjuki sind die beiden Kinder, die nach der SnE. (I 56) in den Mond versetzt worden sein sollen, als sie vom Brunnen Byrgir in dem Eimer Sægr Wasser geschöpft hatten. Ihr Vater war Viðfinnr. Die Sage ist volkstümlich gewesen, dagegen scheinen die in ihr vorkommenden Namen skaldischen Ursprungs zu sein. E. Mogk.

Billendorfer Typus, eine Untergruppe des früheisenzeitlichen schlesischen T. (s. d.), so benannt von A. Voẞ u. J. V. Deichmüller nach einem Fundort im Kr. Sorau, mit reichen, durch die südl. Lage bedingten Einflüssen aus dem Hallstätter Kulturkreise. Für letztere sprechen die hohen, dem Villanova-Typus zuweilen sehr ähnlichen Halsurnen, eiserne Flachbeile u. Hohlbeile, Nadeln usw. Der Zeit nach grenzt der B. T. nahe an die La Tène-Periode, typologisch ist er noch ganz der Hallstattperiode zuzurechnen. S. Abb. 44.

A. VoB ZfEthn. 1903, 193-197. 206-209.
M. Hoernes.

Bilsenkraut. § 1. Das B. (Hyoscyamus Das B. (Hyoscyamus niger L.) hat einen alten, den nordeuropäischen Indogermanen gemeinsamen Namen. Germ. Sprachen: ahd. bilisa f., mhd. bilse swf., nhd. bilsenkraut; and. belna, bilena f. (Gallée Vorstud. 19. 25), mnd. bilne, bille, billencrūt neben bilse, nnd. billerkrüd, dullbillerkrūd, dulldillenkrūd, dulldillen neben bilsen, bilsenkrud; mndl. belze und beelde, nndl. bilzenkruid; ags. belone, beolone swf.; im Nordischen mit Tiefstufe des Wurzelvokals adän. bulnurt, bylne, belme, ndän. bulmeurt, aschwed. bølma, bølmeyrt, nschwd. bolmört. Aus ei

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EWb.) — Kel

(Nach A. Voß.)

deutung etwa identisch mit lat. apollinaris, das in den Dioskorideshandschriften, dem Herbarium Apuleii und bei Plinius als Benennung des B.s erscheint. Aber vielleicht sind belinuntia und Belenos nur aus derselben Wurzel abzuleiten, ohne eine nähere Beziehung zueinander zu haben. Für die Beurteilung der Bedeutung der Wz. bhelscheint mir bulg. blen f. 'Phantasie', blenúvam, búlnúvam 'phantasiere' entscheidend: idg. bhelenā 'Bilse' würde danach 'Tollkra ut' bedeuten und Belenos vielleicht ein Gott der Mantik sein. Die

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ca. 1, n. Gr.

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Schwindel, Besinnungslosigkeit und Raserei verursachende Eigenschaft der Pflanze kommt auch sonst vielfach in ihren Benennungen in verschiedenen Sprachen zum Ausdruck, vgl. griech. ύπνωτι κόν, πυθώνιον, ἐμ μανές (Diosk. 4, 69), lat. insāna, nnd. dullkrud, dullbiller krūd.

§ 3. Das B. wurde wohl

tisch: gall. But Abb. 44. Tongefäße aus Urnenfeldern des Billendorfer Typus. schon seit alter ουντία (bei Dios korides 4, 69)

oder belinuncia (Herbarium Apuleii Kp. 5 nach Dioskorides).

§ 2. Fast alle diese Namensformen sind n-Ableitungen aus einer idg. Wz. bhel-, nur das Deutsche hat daneben eine s-Ableitung. Der etymologische Sinn des Ausdrucks ist zweifelhaft. Die Vergleichung mit lat. filix 'Farn' ist wegen der Verschiedenheit der Bedeutung und des Suffixes abzulehnen (Hoops Waldb. u. Kulturpfl. 481). Gall. belinuntia wird gewöhnlich mit Belenos zusammengestellt, dem Namen eines häufig mit Apollo identifizierten barbarischen Gottes der östlichen Alpenländer mit dem Hauptsitz des Kultus in Aquileja (Wernicke b. Pauly-Wissowa sv. 'Apollon' S. 45, 22). Das Wort wäre dann in seiner Be

Zeit von den Germanen

nicht nur als Giftpflanze gefürchtet, sondern auch in der Heilkunde verwertet. In den ags. Arzneibüchern, die allerdings stark unter klassischem Einfluß stehn, wird es bei den verschiedensten Krankheiten angewandt (s. die Belege Cockayne Leechd. III unter belene 313 u. hennebelle 331). Johannes Hoops.

Bilwis (1) mhd. pilwis, pilwiht, nd. belwit, ein dämonisches Wesen, in früherer Zeit ein böser Geist, der in Bäumen wohnte (dem Pilbisbaum) und der durch ein Opfer alter, verbrauchter Kleider von den Kindern abgewehrt werden sollte (ZdVfVolksk. 12, 6 f.). Im heutigen Volksglauben ist der B. ein Getreidedämon, der an der großen Zehe eine Sichel hat, und der so

durch das Getreidefeld geht (daher Bilwisoder Bilmisschnitter). Wo er streicht oft reitet er dabei auf einem schwarzen Bocke, entzieht er dem Getreide die Körner und wendet diese dem Bauer zu, dem er dient. Seine Spur läßt das niedergeworfene Getreide, der Bilwisschnitt, erkennen.

§ 2. Sein Wesen treibt der B. an Zeiten, wo sonst die Hexen sich zeigen: in der Walpurgisnacht, am Johannis-, am PeterPaulstage. Um seinem Treiben entgegenzutreten, schießt man am Ostermorgen vor Sonnenaufgang über die Saatfelder, oder man bringt Tannenzweige vor der Scheune an oder drischt beim Andreschen Wachholderstaudenzweige mit.

§ 3. Der Name B. ist ebenso dunkel wie seine Herkunft. Während die einen in ihm einen germanischen Dämon finden (Laistner, v. Grienberger), lassen ihn andre westslavischen Ursprungs sein.

Schönwert Aus der Oberpfalz 1, 428. Laistner Rätsel der Sphinx 2, 262. Schönbach ZdVfVk. 12, 6 f. Usener Götternamen 98. v. Grienberger ZfdA. 41, 345. E. Mogk.

Bimsstein. Der B. ist den germ. Völkern zuerst durch die Mönche bekannt geworden; sowohl sein deutscher wie sein engl. Name weisen auf roman. Assibilierung des c von lat. pumicem: ahd. pumiz, mhd. bümez, nhd. bims m., bimsstein; ags. pumic, pumicstān, me. pomice, pomys; sie können also erst nach 600 aufgenommen sein, wozu auch der Mangel des Umlauts in dem ags. Worte stimmt. Und die Erhaltung des i in pumicem, das bei volkstümlicher Entwicklung um 600 längst zu *pomce hätte werden müssen, erklärt Pogatscher (Lautl. § 183. 357 f.) mit Recht durch eine klosterlat. Aussprache [pumitsem] mit i, ts und kurzem u statt des klasslat. pūmicem. Die Mönche brauchten den B. zum Abreiben des Pergaments und zur Bearbeitung der Felle; in einem ags. Rezept aus dem 10. Jh. heißt es: genim heorotes sceafopan of felle ascafen mid pumice 'nimm Hirsch-Schabsel, die mit Bimsstein vom Fell abgeschabt sind' (Cockayne Leechd. II 100, 15). — Über den B. im klassischen Altertum s. Blümner b. Pauly-Wissowa. Johannes Hoops.

Binnenschiffahrt. § 1. Soweit sich Spuren alter Handelsverbindungen durch den europäischen Kontinent zurückverfolgen lassen, finden sie sich vorwiegend an die Flußtäler geknüpft. So ging der Bernstein- und (in umgekehrter Richtung) der Bronze- und Goldhandel seit spätestens 1500 v. Chr. von der Nordseeküste die Elbe und Moldau (z. T. auch die Saale) aufwärts nach der Donau und dem Mittelmeergebiet, gleichzeitig weiter im Osten durch das Weichseltal, später und in geringerem Grade durch das Rheintal. Es ist eine offene Frage, inwieweit man sich dabei der Ströme selbst zu Schiffe oder etwaiger Landwege längs der Flüsse bediente. Nach der Analogie aus römischer und vor allem fränkischer Zeit sollte man annehmen, daß vorwiegend das erstere der Fall war. Auch der Zinnhandel von Cornwall durch Gallien in den letzten Jahrhunderten v. Chr. scheint sich zum großen Teile der gallischen Ströme (bes. Loire, Garonne) bedient zu haben.

§ 2. In römischer Zeit fand eine wohl nicht ganz unbeträchtliche Binnenschiffahrt auf dem Rhein und seinen Nebenflüssen statt. Als Caesar 55 v. Chr. mit seinem Heer den Rhein überschreiten wollte, erboten sich die Ubier, ihm die dazu nötige große Zahl von Fahrzeugen zu stellen (Bell. Gall. 4, 16). Der Leinpfad an der Mosel stammt noch aus röm. Zeit (Ausonius Mosella) und ebenso vielleicht der des Rheins unterha'b Koblenz. Auf der Igeler Säule ist das Treideln eines Kahnes auf der Mosel dargestellt, auf einer Skulptur von Neumagen a. d. Mosel ein mit großen Weinfässern beladenes Schiff (Rhein. Mus. 36 Taf. I 1). Der römische Neptunusstein an d. Brücke z. Ettlingen berichtet von einem contubernium nautarum und die gleichen Genossenschaften sind am untern Inn und der Salzach be

zeugt. Bei dem römischen Alenlager Asciburgium (Asberg gegenüber Duisburg), das seinen Namen wohl von der Schiffsart (s. d.) ascus trug, befand sich ein alter, vermutlich schon vorrömischer (Tacit. Germ. c. 3) Flußhafen. Auch wurde auf dem Rhein bei Alteburg (2 km südl. Köln) durch Drusus eine römische Flotille (classis Germanica) stationiert, die während des

Bataveraufstandes heftige Kämpfe gegen die germanischen Flußfahrzeuge zu bestehen hatte und bis ins 4. Jahrh. nachweisbar ist. Den Endpunkt der rheinischen Flußschiffahrt und den Ausgangspunkt des Seeverkehrs scheint Nim wegen (Noviomagus) gebildet zu haben. In ähnlicher Weise ist Binnenschiffahrt der Germanen auf der Ems und auf dem Bodensee bezeugt, wo Tiberius eine Flotte der keltischen Vindelicier besiegte (Strabo Geogr. VII I, 5). Römischer Handel drang ferner vom Niederrhein und der Nordsee die Ströme Ems, Weser, Elbe hinauf nach Innerdeutschland, und die Donau scheint dem Getreidehandel als Wasserstraße gedient zu haben. Über Flußkorrektionen und Kanäle der Römer s. Wasserstraßen.

§ 3. Mit der Vernichtung der röm. Herrschaft verfiel anscheinend die Binnenschiffahrt im westl. Germanien und Gallien, um erst wieder im karoling. Zeitalter aufzublühen, um so mehr als dieser Periode die vortrefflichen Landstraßen der Römerzeit nicht mehr zu Gebote standen. Seit dem 8. Jh. ist uns die Verwendung der Flüsse zunächst zu Reisen hochstehender Persönlichkeiten und zu militärischen Zwecken vielfach bezeugt. Karl d. Gr. und seine Nachfolger bedienten sich der Schiffahrt auf der Donau zu Feldzügen gegen die Avaren und Mährer 791, 872 und 899, auf der Elbe und Havel gegen die Wenden 789, wobei friesische Schiffer Dienste leisteten. Auch zu der Unternehmung eines Donau-Mainkanals (s. Wasserstraßen) veranlaßten Karl d. Gr. wohl hauptsächlich militärische Erwägungen.

Daher ordnete auch ein Kapitular von 813 (c. 10) die Haltung guter Schiffe für die Heerfahrt an. Der Dänenkönig Harald segelte 826 mit über 100 Seeschiffen den Rhein hinauf bis Mainz, und die Ströme dienten den Normannen bei ihren R a ubzügen während des 9. Jhs. in erster Linie als Eingangswege. Es steht fest,

daß sie mit ihren Seeschiffen von mindestens 1,00 bis 1,20 m Tiefgang flußaufwärts fuhren: auf dem Rhein bis Koblenz, auf der Maas bis Maastricht, auf der Dyle bis Löwen, auf der Schelde bis Condé, im Flußgebiet der Seine auf der Oise bis Noyon, auf der Yonne bis

Sens, sowie in den Loing, auf der Loire bis über Orléans hinaus, auf der Garonne bis Toulouse, auf der Rhone bis Valence. Gleichzeitig bedienten sich die normann. Waräger der russischen Ströme zu Fahrten bis ins Schwarze Meer.

$ 4.

Aber auch die Binnenschiffahrt zu friedlichen Handelszwecken gewann in der Karolingerzeit sichtlich an Ausdehnung. Sie diente zunächst der lokalen Versorgung der an Flüssen gelegenen Klöster u. a. Siedelungen mit Salz, Wein usw. Äußerst zahlreich sind die karoling. Urkunden, durch die Klöster und Kirchen zur Binnenschiffahrt auf be. stimmten Flüssen oder im ganzen Reich, meist für eine gewisse Zahl von Schiffen (2 bis 12) unter Zollerlaß usw. privilegiert werden (Beispiele bei Böhmer-Mühlbacher Regesta Imperii I n. 119, 218, 354, 518, 533, 544, 546, 548, 562, 568, 583, 596, 610, 618, 624, 632, 634, 667, 723, 734, 738, 855, 856, 890, 913, 954, 1015, 1073, 1431, 1459, 1949). Aber an gewisse, zur Ausfuhr geeignete Produkte knüpfen sich auch. weitere Binnenschiffahrtsbeziehungen. Aus einer Zollverhandlung zu Raffelstätten (a. 903/6, MG. Capit. r. Franc. II 249 f.) ergibt sich, daß auf der Donau Binnenschiffahrt mit Salz, Sklaven, Rindern usw. aus Bayern nach der Ostmark, ja bis nach Mähren und weiter getrieben wurde. Ähnliches scheint auf dem Obermain der Fall gewesen zu sein, und auf dem Rhein war es vor allem der Handel mit Elsässer-, Rhein und Moselwein, der der Flußschiffahrt ständig wachsende Bedeutung. verlieh. Auch Flößerei mag schon stattgefunden haben, wenigstens erwähnt Ermoldus Nigellus (MG. Poet. lat. II 83) als Ausfuhrgegenstände vom Elsaß nach dem Niederrhein lignea tecta und robur sectum. Träger dieser Flußschiffahrt waren vor allem die Friesen, die in den wichtigsten Rheinstädten (Mainz, Worms, Köln usw.) eigne Quartiere besaßen und die Rheinschiffahrt mit Wein bereits bis England (London, York) ausdehnten. Der Koblenzer Zolltarif vom Ende des 11. Jhs. (Hans. Urkundenbuch I n. 5, III S. 388) zeigt die weitreichenden Verkehrsbeziehungen der Rheinschiffahrt fest begründet. Auch auf der Weser und Leine ist frie

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