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1. Angelsächsischer Räderpflug mit Pflüger, Treiber und Sämann. Aus dem ags. Kalendarium Cotton Tiberius B V im Brit. Museum. Originalphotographie.

2. Getreideernte. Ebendaher.

Originalphotographie. 3. Dreschen und Sieben des Getreides. Ebendaher. Originalphotographie. 4. Getreideernte. Aus dem Utrechter Psalter. Nach Heyne Hausaltert. 3, Fig. 15.

Reallexikon der germ. Altertumskunde. I.

Verlag von Karl J. Trübner in Straßburg.

§ 41. Das geerntete Korn wurde in die Scheune geschafft, in deren Mitte sich in der Regel die Dreschten ne befand; wenigstens ist das bei der Scheune des St. Galler Klostergrundrisses von 820 der Fall, wo die Tenne die Form eines Kreuzes hat. (S. den von Ferd. Keller hrsg. Bauriß; die Scheune für sich ist nachgebildet bei Heyne Hausaltert. II 55.) Der Dreschplatz hieß got. gaprask n., ahd. flazzi, flezzi oder tenni n., ags. pirscel-flor 'Drischelflur', bereflör 'Gerstenflur' oder breda piling 'Bretterboden' (Wright-Wülker 147, 14 area: breda piling, vel flor on to perscenne), woraus sich ergibt, daß die Tenne bei den Angelsachsen um 1000 aus Bretterdielen hergestellt wurde.

§ 42. Für das Dreschen herrscht in allen germ. Sprachen das uralte Wort got. priskan, anord. priskja, pryskva, ags. perscan, ahd. dreskan. Während das gewöhnliche Dreschverfahren in der idg. Urzeit das Austreten der Körner durch das Vieh war (s. ob. § 9), scheinen die Germanen in historischer Zeit vorzugsweise oder ausschließlich das Dreschen mit dem Stock oder dem Flegel geübt zu haben. Der einheimische Name für den Dresch flegel war ahd. driskil, ags. perscel. Daneben begegnet schon ahd. flegil m., mnd. vlegele, spätags. fligel (um 1000), frühme. fle33l (um 1200). Die letzteren Ausdrücke bezeichnen sicher den zweiteiligen Flegel, der diesen Namen ja heute noch führt. Er wird zuerst von Hieronymus im 4. Jh. erwähnt, der ihn unter dem volkstümlichen lat. Namen flagellum 'Geißel' kennt. Es ist wohl das Natürlichste, die germ. Ausdrücke gleich den roman. aus diesem lat. Wort abzuleiten; doch ist es fraglich, ob die Germanen mit dem Lehnwort auch das Werkzeug von den Römern erhalten haben, da das Verbreitungszentrum des Wortes wie der Sache nach Meyer-Lübkes Zusammenstellungen (WuS. 1, 233 ff.) nicht sowohl in Italien als vielmehr in Nordgallien bzw. Nordfrankreich liegt und man nicht weiß, wo der vielgereiste Hieronymus den vulgärlat. Ausdruck kennen lernte. Jedenfalls bezeichnet auch das einheimische Wort drischel heute und wohl schon im MA. in Bayern und Österreich den zweiteiligen Flegel. Daß die Angelsachsen mit diesem

Werkzeug bekannt waren, zeigt die Miniatur aus dem ags. Kalendarium des 11. Jhs. (Taf. 1, 3). Der ags. Flegel gleicht dem heute noch üblichen; die beiden Teile waren durch Leder verbunden, aber die Schlagkeule war wesentlicher länger als jetzt. Weiteres unt. 'Dreschen'.

§ 43. Der allgemeine Ausdruck für das Reinigen des Korns von der Spreu ist das aus der idg. Urzeit ererbte, auf die Benutzung des Windes hinweisende urgerm. *winpjan, *winpisōn, *windwon: got. dis-winpjan 'λexuav, auseinanderwerfen'; anord. vinza 'worfeln'; ags. windwian 'ventilare', me. windwen, ne. winnow 'schwingen, wannen', ahd. winton 'ventilare', mhd. winden (s. § 10).

Das gewöhnliche germanische Verfahren zur Reinigung des Getreides war von alters her das Worfeln, wobei das Korn mit einer kurzstieligen Schaufel auf die Tenne geworfen wird, so daß der Wind die leichte Spreu entführt, während das schwere Korn zu Boden fällt. Für die Worfelschaufel begegnen drei verschiedene Namen, die in ihrem ersten Glied winp-, wind- gleichmäßig die Bestimmung des Gerätes angeben, im zweiten auf das Werfen mit der Schaufel hinweisen: got. winpi-skaúro f. zu ahd. scora 'Schaufel'; ahd. wint-scuvala f., mhd. wintschūfel, and. windscufla swf., ags. windscofl (Hs. -sobl für scobl) und windwi-scoful f. (Hs. windiu-); ahd. wintworfa f. (Otfr. I 28, 5), dazu mhd. worfen 'worfeln'.

Neben dem Worfeln war aber auch die Reinigung des Korns durch Schwingen in einer Wann e bekannt, das schon aus der idg. Urzeit überkommen war (oben § 10) und auf dem Lande noch heute neben jenem üblich ist. Der mit lat. vannus 'Getreideschwinge' urverwandte Name ahd. wanna, mhd. wanne bezeichnet ursprünglich speziell die Wanne zum Getreidewinden; es wird glossiert durch 'sporta, pala, vannus, ventilabrum' (Graff 1, 885 f.), bedeutet aber trotz 'pala' und 'ventilabrum' sicher nicht 'Worfschaufel', sondern nur 'Wanne', wie die weitere Bedeutungsgeschichte des Wortes zeigt. Dazu die Ableitungen ahd. wannon 'ventilare', wannōth m. 'ventilatio' (Graff aaO.) und die synonyme Nebenform ahd. wint-wanta swf.

(Otfr. I 27, 63; s. § 10). Auf Entlehnung aus lat. vannus f. beruht ags. ws. fann f., north. fonnae oder windgefonnae swf. (Lindisf. Ev.). Auch ags. windswingla swm. bedeutet trotz des Lemmas 'pala vel venti. labrum' wohl 'Getreidewanne', nicht 'Worfelschaufel', während die genaue Bedeutung von ahd. wintpreita swf. 'ventilabrum' (Ahd. Gl. I263, 26) sowie die des allgemeineren ahd.winta f. dahingestellt bleiben muß.

§ 44. Nach dem Worfeln oder Wannen wurde das Korn noch gesiebt (ahd. redan; ags. siftan, mnd. siften), namentlich um den Unkrautsamen zu entfernen; thaz muasi er (der Teufel) redan iu thaz muat, so man korn in sibe duat, läßt Otfrid (IV 13, 16) Christus sagen; vgl. auch Taf. 1, 3. Es gab zwei Arten von Sieben: ein gröberes mit dem alten idg. Namen ags. hrid(d)er n., ahd. ritera, ritra swf. 'cribrum' (§ 16), daher ags. hridrian, ahd. ritarōn 'cribrare'; und ein feineres: ags. sife n., and. sif n., ahd. sib n. 'cribellum'. Das Kornsieb führt ags. den spezielleren Namen windwig-syfe n. 'ventilabrum' (WW. 141, 11). Vgl. 'Sieb'.

§ 45. Für die Spreu gibt es in den altgerm. Sprachen eine Menge Ausdrücke, die ursprünglich verschiedene Arten von Abfällen (wie Spelzen, Grannen, Hülsen usw.) bezeichneten, aber bald in ihrer Bedeutung durcheinanderflossen. Das älteste, gemeingerm. Wort ist wohl got. ahana f. ayupov; anord. egn f., pl. agnar, dän. avne; ags. egenu f. und ægnan pl., ahd. agana f., mit gr. ayn 'Spreu' urverwandt (§ 11). Westgerm. und besonders niederdeutsch-englisch ist and. mnd. mndl. kaf n. ‘palea', nnd. nhd. kaff n., ags. ceaf n., ahd. mit Ablaut cheva swf. 'siliqua' (Graff 4, 370). Ausschließlich hochd. sind: ahd. mhd. spriu n. (plur. thiu spriu Otfr. oder spriuwir), nhd. spreu f. zu einer Wz. spreu'stieben, sprühen', und ahd. helawa, mhd. helewe, helwe f. 'palea, Spreu'. Angelsächsich kommt neben ceaf auch windwigceaf oder schlechtweg windung, winnung f., pl. winnunga im Sinne von ‘zizania, paleae' vor.

Über die angebauten Pflanzen s. Kulturpflanzen, Gartenbau und Obstbau; vgl. ferner Agrarverfassung.

Heyne DHausaltert. II 26-62 (1901). Hoops Waldb. u. Kulturpfl. 590-603 (1905), mit Literatur. Johannes Hoops.

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II. Norden. § 46. Wie in Mitteleuropa, so reicht auch in den nordeuropäischen Ländern der Ackerbau in graue Vorzeit zurück. Aus der älteren nordischen Steinzeit allerdings hat man bis jetzt noch keine Spuren von Ackerbau gefunden, aber vom Beginn der jüngeren Steinzeit an sind in ganz Dänemark und im südlichen Schweden zahlreiche Zeugnisse für Getreidebau zutage gekommen in Gestalt von Körnerabdrücken und verkohlten Körnern, die sich in den Wänden der Tongefäße und in Abfallshaufen aus dieser und den folgenden Perioden erhalten haben. Dadurch ist jetzt erwiesen, daß Gerste und Weizen in der ganzen jüngeren Steinzeit und seit der Mitte derselben auch Hirse daselbst gebaut worden ist.

§ 47. In der Bronzezeit tritt in Dänemark noch der Hafer und seit dem Ende der Periode möglicherweise auch der Flachs hinzu, wenigstens hat man vereinzelte Reste eines feinen Leinenstoffs aus dieser Zeit entdeckt, der allerdings auch importiert sein kann. Funde von Getreidesicheln aus Bronze, die Darstellung eines von einem Ochsen paar gezogenen Hakenpflugs auf dem Felsenbild von Bohuslän im westl. Schweden aus der späteren Bronzezeit (s. oben § 4 u. die Abb. unt. 'Pflug') und der vorzüglich erhaltene hölzerne Hakenpflug aus dem Moor von Døstrup in Jütland, der wahrscheinlich aus der Bronzezeit, mindestens aber aus der ältesten Eisenzeit stammt (s. ebenda), vervollständigen unser Bild von dem nordischen Ackerbau in dieser Periode.

Im

§ 48. Aus dem Anfang der Eisenzeit hat man verschiedene weitere landwirtschaftliche Geräte wie Spaten und Eggen und später, aus derselben Periode, Pflugschare und Sichelklingen. jüngeren Eisen alter, in der Völkerwanderungszeit, hatte man außer den früheren Arten von Saatpflanzen auch damit begonnen, Roggen und Bohnen zu bauen, doch wahrscheinlich nur an bestimmten Stellen, kaum im ganzen Norden. Aus dieser Zeit hat man auch sichere Zeugnisse über Flachsba u. Dagegen ge. hört das Bauen von Erbsen erst einer späteren Epoche, dem Ende der Vorzeit oder dem Beginn der historischen Zeit, an.

§ 49. In der Wikinger- und Saga zeit trieb man einen ausgedehnten Ackerbau im ganzen Norden, worüber wir ziemliche reichliche Angaben in der altnordischen Literatur haben, sowohl in Gesetzen wie den Sagas und einzelnen Gedichten. Aber die Rolle, die der Ackerbau für jedes einzelne der nordischen Länder spielte, war doch von höchst ungleicher Bedeutung. In Dänemark und Südschweden, die sich weit besser für den Ackerbau eigneten als der übrige Norden, war dieser sicherlich weit mehr entwickelt als anderswo. Dies wird auch nachdrücklich von Adam von Bremen (etwa 1070) hervorgehoben, der Fünen, Seeland und Schonen wegen ihrer Fruchtbarkeit rühmt, während er von Norwegen sagt, daß es wegen seiner vielen Berge und seines rauhen und kalten Klimas sehr unfruchtbar sei und sich nur zur Viehzucht eigne. Diese Bemerkung ist jedoch keineswegs richtig und in hohem Grade irreführend, denn Ackerbau wurde allgemein in Norwegen getrieben, nicht allein zu Adams Zeit (11. Jh.), sondern schon lange vorher weit hinein in die vorhistorische Zeit, obwohl es zweifelhaft sein kann, ob er hier so weit zurückreicht wie in Dänemark und Südschweden; es ist dies kaum wahrscheinlich. Es liegt zur Beurteilung dieser Frage noch nicht genügendes archäologisches Material vor. Nur insoweit hat Adam recht, als der norwegische Ackerbau selbstverständlich weit hinter dem dänischen zurückgestanden hat, ebenso wie Dänemark nach anderen Zeugnissen als Ackerbau treibendes Land hinter Deutschland zurückstand; was ua. aus der Äußerung einiger geistlicher Abgesandten aus Deutschland hervorgeht, die im Anfang des 12. Jhs. Dänemark besuchten, und die den Kornbau in Dänemark als ziemlich gering bezeichneten, während nach ihrer Aussage Vieh zusammen mit reichlichem Fischfang den Hauptreichtum des Landes bildeten.

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§ 50. Daß Ackerbau in dieser Periode in Norwegen in verhältnismäßig großer Ausdehnung getrieben worden ist, darüber liegen zahlreiche Zeugnisse in der alten Literatur vor. So wird Kornbau hier im ersten Viertel des 11. Jhs. in den meisten Gegenden des Landes erwähnt, nicht allein

im südlichen, östlichen und westlichen Teil, sondern auch im nördlichen, ja sogar bis nach Trondenæs im jetzigen Stift Tromsö hinauf.

§ 51. Aber wenn auch somit der Ackerbau in Norwegen ungefähr im ganzen Land getrieben wurde, scheint doch die Ausbeute häufig nicht sehr groß gewesen zu sein. So wird es an verschiedenen Stellen als eine besonders zufriedenstellende Ernte bezeichnet, wenn man so viel Korn erntete, daß die meisten, außer was sie für ihre Haushaltung brauchten, hinlänglich Korn zur Aussaat (frækorn) für das kommende Frühjahr hatten. Daß oft großer Mangel an Korn zur Aussaat geherrscht hat, geht auch aus einer Gesetzesbestimmung hervor, die darauf ausgeht, dem Volk solches zu sichern. Wer sich nicht die Aussaat auf andere Weise sichern konnte, durfte sich nämlich an den Vogt des Königs wenden und verlangen, daß er Sachverständige ernenne, um den Kornvorrat des Volkes zu untersuchen, und wenn nach deren Urteil sich bei einem Bauern mehr Korn fand, als dieser selbst zur Aussaat und für seine Haushaltung bis zum nächsten Herbst brauchte, konnte der Vogt, selbst wenn der Eigentümer sich dem widersetzte, das überflüssige Korn nehmen und es den Leuten geben, denen Korn zur Aussaat mangelte. Diese mußten es zurückbezahlen, sobald sie neues Korn bekamen.

§ 52. Oft mißglückte die Saat in Norwegen, besonders häufig im nördlichen Teil des Landes. Man mußte da Abhilfe schaffen entweder durch Einkauf aus den Teilen des Inlandes, in denen die Ernte reichlicher gewesen war, oder durch Einfuhr aus dem Ausland, aus dem man sicherlich stets auch in guten Jahren einen Teil des Korns einführen mußte. Da man immer darauf vorbereitet sein mußte, daß die Aussaat fehlschlagen konnte, waren manche, besonders im nördlichen Norwegen, so vorsichtig, sehr große Kornscheunen aufzuführen, in denen sie in guten Jahren große Kornvorräte aufstapelten, so daß sie, wenn ein Miẞjahr eintraf, sich und andern mit dem ,,alten Korn" (forn korn) helfen. konnten, das sie in ihrer Scheune liegen hatten. Auch in Dänemark werden solche Veranstaltungen und die Einfuhr von Korn

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