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Indogm. 272-281 (1905); 650-656 (1907). Schrader Sprachvgl. u. Urgesch. 3 II 185 bis 216 (1907).

B. Römerzeit. § 19. Mit einem voll entwickelten Ackerbau treten so die Germanen in die Geschichte ein, und es ist nach den vorstehenden Ausführungen völlig unhaltbar, wenn man

in

neueren historischen, wirtschaftsgeschichtlichen und sogar pflanzen geschichtlichen Werken immer noch die Ansicht ausgesprochen findet, daß die Germanen vor ihrem Bekanntwerden mit den Römern über die ersten Anfänge des Ackerbaus nicht hinaus gekommen wären, daß sie noch zu Plinius' Zeit vornehmlich nur Hafer und vielleicht etwas Gerste gebaut und Haferbrot gegessen hätten, daß Roggen und Weizen und sämtliche Gemüse erst durch die Römer oder gar erst zur Karolingerzeit von Gallien aus in Deutschland eingebürgert seien! (Vgl. Hoops Waldb. u. Kulturpfl. 482.) Die übereinstimmenden Ergebnisse der Archäologie und Sprachwissenschaft haben uns vielmehr gezeigt, daß der Ackerbau in ganz Mittel- und Nordeuropa zu Beginn unsrer Zeitrechnung bereits eine zwei- bis dreitausendjährige Entwicklung hinter sich hatte.

§ 20. Die bedeutsame Rolle, die der Landbau im Wirtschaftsleben der Germanen spielte, wird durch nichts schlagender bewiesen als durch die Bevölkerungszahl, die trotz aller Übertreibungen von seiten der römischen Schriftsteller doch geradezu unerschöpflich war. Hätte sonst wohl ein verhältnismäßig kleiner Teil der Germanen denn die große Masse blieb doch in der Heimat sitzen das römische Weltreich über den Haufen rennen können? Selbst bei der minimalsten Schätzung war die Bevölkerung Germaniens jedenfalls so groß, daß schon ein beträchtlicher Ackerbaubetrieb als Unterlage zu ihrer Erhaltung vorausgesetzt werden muß. Doch wäre es anderseits verfehlt, wenn man sich die Germanen als ausgesprochene Ackerbauvölker vorstellen wollte; die Viehzucht nahm zur Zeit ihres Zusammentreffens mit den Römern noch die erste Stelle in ihrem wirtschaftlichen Leben ein. Es waren wohl ähnliche Wirtschaftsverhältnisse wie auf

nordamerikanischen

den Ranchos oder bei den viehzuchttreibenden Buren Südafrikas, wenn man moderne Betriebe mit den technisch primitiveren der Vorzeit überhaupt vergleichen darf.

§ 21. Die verhältnismäßig hohe Bedeutung, die der Ackerbau der Germanen schon bei ihrer ersten Berührung mit den Römern für die Volksernährung hatte, geht auch aus den Zeugnissen der Alten klar genug hervor. Bei den Auswanderungen germanischer Stämme handelt es sich immer um die Erwerbung neuer Wohnsitze und fruchtbarer Ackergründe. Sedem et agros, in quibus considerent verlangten die Gesandten der Cimbern vom römischen Senat (Livius 65 Periocha); Ariovist forderte von den Sequanern ein Drittel und später ein zweites Drittel ihres Ackerlandes für seine Sveben (Caesar BG. 1, 31); die Usipeter und Tencterer zogen über den Rhein, weil sie durch kriegerische Einfälle der Sveben mehrere Jahre hindurch am Ackerbau verhindert worden waren (BG. 4, 1); und als die Friesen sich der Niederlande an der Rheinmündung bemächtigt hatten, war es ihr erstes, daß sie den Boden bestellten: Jamque fixerant domos, semina arvis intulerant utque patrium solum exercebant (Tacitus Ann. 13, 54). Auch die unruhigen, kriegslustigen Sveben, die nach Caesars Aussage nur zum kleineren Teil von Getreide lebten, konnten doch des Ackerbaus nicht ganz entbehren und ließen jeweils einen Teil ihres Volkes zur Bestellung der Felder daheim, während der andre in den Krieg zog (BG. 4, 1). Wenn Caesar (BG. 6, 22) von den Germanen sagt: agriculturae non student, so heißt das demnach sicher nicht 'mit Ackerbau beschäftigen sie sich nicht', wie es wiederholt irrtümlich übersetzt worden ist, sondern auf Ackerbau legen sie keinen Wert'. (Vgl. Hoops Waldb. u. Kulturpfl. 485 f. Weitere antike Zeugnisse bei Matth. Much in seinem Aufsatz Über den Ackerbau der Germanen, Mitt. d. Anthrop. Ges. Wien 8, 220 ff.; 1879.)

§ 22. Gewichtiges Beweismaterial für den Stand des german. Ackerbaus zur Römerzeit liefert uns ferner die Sprachwissenschaft. Sie lehrt uns, daß die Namen der Getreidearten sämtlich uralt germani

sches, zum Teil schon indogermanisches Sprachgut sind, daß die Germanen keinen einzigen Getreidenamen von den Römern entlehnten, weil diese ihnen keine neuen Sorten zu bieten vermochten. Während von den Germanen schon in vorrömischer Zeit Weizen, verschiedene Spelzarten, Gerste, Hirse, Hafer und Roggen gebaut wurden, sind Hafer und Roggen den Römern erst durch ihre Berührung mit den Nordvölkern bekannt geworden. Auch in technischer Beziehung konnten die Germanen von den Römern wenig lernen. Wir wissen, daß sie schon zu Plinius' Zeit neben dem alten indogerman. Hakenpflug einen vollkommneren schweren Räderpflug mit zweischneidiger breiter Schar kannten, die den Boden nicht nur auflockerte, sondern zugleich umwandte, einen Pflug, wie ihn die Römer damals noch nicht besaßen, der nur auf altem Kulturboden brauchbar ist. (Näheres unter 'Pflug'.)

Auch eine Reihe der nahrhaftesten Gemüsearten: Erbse, Bohne, Lauch, Möhre, Rübe, Kürbis, sowie der Mohn und die wichtigsten Pflanzen der Technik: Flachs, Hanf und Waid waren entweder allen oder wenigstens den Südgermanen längst vor Ankunft der Römer bekannt (vgl. oben 18 u. 'Kulturpflanzen').

§ 23. Aber was den Germanen fehlte, und was sie von den Römern lernten, das war der feinere Gartenbau (s. d.). Nec enim cum ubertate et amplitudine soli labore contendunt, ut pomaria conserant et prata separent aut hortos rigent: sola terrae seges imperatur, sagt Tacitus (Germ. 26). Die Gemüse wurden wohl wie Flachs und Hanf und die Getreide nur feldmäßig gebaut, wie es noch heute vielfach geschieht. Die ersten Ansätze zum Garten freilich waren bei den Germanen gewiß schon vor der Römerzeit vorhanden: das Wort Garten selbst (got. gards, anord. garor, ags. geard, afries. garda, as. gard und gardo, ahd. garto) ist nicht, wie Gradmann (Der Getreidebau im deutschen u. röm. Altert. 103; 1909) annimmt, ein altes Lehnwort aus lat. hortus, sondern mit diesem und griech. xóptos 'Gehege, Hof', air. gort 'Saat' urverwandt (s. Agrarverfassung 4). Es bedeutet einen umzäunten Hof, der das Haus umgibt: suam quisque

domum spatio circumdat, sagt Tacitus an andrer Stelle (Germ. 16). Aber dieser urgerman., Garten" war wohl in erster Linie ein umhegter Viehhof, in dem nur nebenher auch Küchengewächse und Apfelbäume gepflanzt sein mögen. Eine rationelle Gartenkultur fehlte den Germanen; diese verdanken sie den Römern.

§ 24. Daher kommt es, daß im Gegensatz zu den Getreidearten so viele unsrer Küchengewächse lateinische Namen führen: Gemüse wie Kohl, Zwiebel, Rettich, Spargel, Gurke, Lattich; Gewürze wie Fenchel, Kümmel, Petersilie; ferner alte Zierpflanzen wie Rose und Lilie. Die Kultur aller dieser Pflanzen ist erst durch die Römer nach dem Norden

gebracht worden (s. 'Kulturpflanzen').

vom

§ 25. Ganz römisch ist ferner Apfelbau abgesehen der Obstbau der Germanen (s. d.). Die Namen fast sämtlicher Obstarten sind aus dem Lateinischen entlehnt: Birne, Pflaume, Zwetsche, Kirsche, Pfirsich, Aprikose, Quitte, Kastanie, Maulbeere, Mandel; auch der Name Walnuß, welsche Nuß, weist auf den Süden. Und die Ausdrücke für die Veredelung der Bäume, wie impfen, propfen usw., gehen ebenfalls aufs Latein zurück.

§ 26. Der Einfluß der Römer auf die Entwicklung des germanischen Obst- und Gartenbaus ist deshalb ein geradezu grundSeine weitere Auslegender gewesen. breitung in den Ländern des Nordens war vor allem ein Werk der Mönche, die mit dem Christentum zugleich die südlichen Küchengewächse und Obstarten im Norden. einbürgerten. Dann trat ein Stillstand ein: der Bestand der Küchen-, Obst- und Ziergärten in den mittel- und nordeuropäischen Ländern ist von den Römerzeiten bis zum Ende des Mittelalters in der Hauptsache der gleiche geblieben.

Hoops Waldb. u. Kulturpfl. 483—565 (1905) mit ausführlicher Literatur. Gradmann Der Getreidebau im deutschen u. röm. Altertum. Jena 1909.

C. Frühmittelalter. I. Süden. § 27. Als in den Stürmen der Völkerwanderung die germanischen Stämme in ihre späteren historischen Sitze eingerückt waren, der ewige Kriegszustand aufhörte

und sich fester gefügte staatliche, rechtliche und wirtschaftliche Verhältnisse herauszubilden begannen, mußte der Ackerbau immer mehr an Bedeutung gewinnen und Technik und Betrieb sich vervollkommnen. Aus den Zeiten der Völkerwanderung selbst fehlt es fast vollständig an Nachrichten über die Entwicklung des Ackerbaus. Von der Merowingerzeit an aber mehren sich die Zeugnisse rasch, und seit Beginn der literarischen Überlieferung in den Landessprachen tritt uns bei allen germanischen Stämmen eine reich entfaltete AckerbauTerminologie entgegen, die zum großen Teil in die urgermanische Periode zurückreicht und so zugleich von dem Stand des germanischen Landbaus vor der Römerzeit weiteres Zeugnis ablegt.

=

§ 28. Für das bebaute Land herrscht in allen germ. Sprachen die uralte idg. Sippe von nhd. Acker: ahd. ackar, as. akkar, afries. ekker, ags. æcer, anord. akr, got. akrs, urgerm. *akraz m. idg. *agros m. lat. ager, gr. dypós 'Acker', aind. ájras m. 'Flur, Gefilde'. Auch die Sippen von nhd. Feld und Land werden vielfach schon in älterer Zeit im Sinne von 'Ackerfeld, Ackerland' gebraucht.

§ 29. Für das „, Bestellen" des Ackers scheint es an einem allgemeinen Ausdruck im Sinne des lat. colere aus älterer Zeit zu fehlen. Auf dem hoch- und niederdeutschen Sprachgebiet ist die noch heute im Deutschen allgemein übliche Bezeichnung bauen, Bau (in Ackerbau, Landbau, den Acker bauen usw.) schon in frühma. Zeit belegbar: as. buland 'bebautes Land, Feld' (Heliand), ahd. pūennis 'rusticandi' (Notker), zu būan 'bauen'. Es kehrt auch im Altnordischen wieder, hier allerdings in etwas generellerer Bedeutung: bū n. 'Landwirtschaft', būandi, bōndi, bū-karl, pegn 'Landwirt'. Englisch und Friesisch haben die gemeinsame Bezeichnung ags. tilian (ne. till) ‘ackern', tilp, tiling f. 'Ertrag des Landbaus, Feldfrüchte, Ernte', eorptilp 'agricultura' (Elfrics Colloqu., WW. 99, 27); afries. tilath dass. Der Landwirt, Ackerbauer heißt ags. tilia, eorp-tilia oder æcerman.

§ 30. Das landwirtschaftliche Betriebssystem der Germanen zur Zeit des Tacitus war die wilde Feldgraswirt

schaft, wobei die Markgenossenschaft als ganze auf ihrer Feldmark einen Wechsel zwischen Ackerland und Weide mit langjährigem Turnus einhielt, während die einzelnen Bebauer auf ihren Ackeranteilen alljährlich ein frisches Stück Brachland unter den Pflug nahmen (s. Agrarverfassung 17-19). Als in späterer Zeit das Gesamteigentum der Markgenossenschaft an der Ackerflur durch das Sondereigentum der einzelnen ersetzt wurde (Agrarverfassung 24) und die Zunahme der Bevölkerung den Grund und Boden wertvoller machte, ging die wilde Feldgraswirtschaft allmählich in eine geregelte Felderwirtschaft über. Sie erscheint seit der Karolingerzeit vornehmlich in der Form der Dreifelder wirtschaft, die ich zuerst in einer Urkunde von 765 belegt finde (bei Graff III 268: in mense iunio brachare idterum), dann 771 (nach Hanssen Agrarhist. Abh. I 154), und die seitdem häufig bezeugt ist, aber in ihren Anfängen wohl weiter zurückreicht. Sie beruht auf dem Wechsel von Winterfrucht, Sommerfrucht und Brache, der sich frühzeitig als besonders zweckmäßig erwies, so daß diese Betriebsform sich bis ins 19. Jh. der allgemeinsten Verbreitung erfreut hat.

§ 31. Für die drei Abteilungen der Flur fehlen alte Namen, was dafür spricht, daß die Dreifelderwirtschaft sich erst nach der Völkerwanderung ausgebildet hat. In Oberdeutschland erscheint dafür ahd. zelga, mhd. zelge, dazu heute dial. in der Oberpfalz zelgen, zelchen 'den Boden bestellen' (Heyne Hausaltert. II 11 f.). Das Brachfeld wurde in der Regel bis in den Juni als Viehweide benutzt, daher anord. troỡ f. (zu troða 'treten'), mhd. trat; um Johanni wurde es dann umgebrochen (mhd. valgen, velgen und ahd. brāchōn, pp. gibrāchōt, mhd. brächen), daher der Ausdruck ahd. brachvelt 'intermissio' (Steinm. - Siev. III 407, 27) für das brachliegende Land und der Name brāchmānōth für den Juni, den schon Einhard (Vita Car. 29) erwähnt. Im Ags. heißt das Brachfeld fealh f. (plur. fealga) oder fælging, fylging, me. falghe, falwe, ne. fallow; für das Umbrechen des Landes gilt das Verbum ae. fealgian oder fælgan, fylgan, das Subst. landbræce. Im umgebrochenen Zustand blieb das Land dann mehrere

Monate liegen, um im Herbst noch einmal für die Wintersaat gepflügt zu werden.

§ 32. Der Acker wurde bei den westgermanischen, wenn nicht bei allen german. Völkern schon zur Römerzeit mit Mist gedüngt. Wir haben nicht nur in sämtlichen germ. Sprachen eine äußerst reichhaltige Menge von Ausdrücken für Mist, Misthaufen, Jauche, die zum Teil aus idg. oder germ. Urzeit stammen, sondern einer derselben, dung, hat in den westgerm. Sprachen schon vor ihrer Trennung bestimmt die engere Bedeutung 'Düngmittel' angenommen. (Näheres unter 'Düngung'.)

Außer der jährlichen Düngung mit Mist kannten die niederrheinischen Germanen zur Römerzeit schon ein eingreifenderes, dem Kuhlen unsrer Marschbauern ähnliches Verfahren der Bodenverbesserung, wobei die Erde in einer Tiefe von über drei Fuß unter der Oberfläche ausgegraben und damit der Acker einen Fuß hoch bedeckt wurde, eine mühevolle Art der Düngung, die etwa zehn Jahre lang vorhielt (s. Düngung 3). Ob diese Methode oder vielleicht das Mergeln, das in Frankreich schon in vorrömischer Zeit von den Kelten gepflegt wurde, und das hier bis in die fränkische Zeit hinein üblich blieb, bei den german. Völkern auch im MA. angewandt wurde, erfahren wir nicht.

§ 33. Das Umbrechen des Ackers und Unterbringen des Düngers geschah normalerweise mit dem Pflug, von dem mindestens zwei Arten in Gebrauch waren: der leichtere Hakenpflug, namentlich auf steinigem und wurzelreichem Boden verwandt, und der schwerere Pflug mit Rädergestell und breiter, das Erdreich nicht bloß aufreißender, sondern zugleich wendender Schar, der nur auf altem Kulturboden brauchbar ist (oben § 4 u. 22). Über beider Formen und Namen s. 'Pflug'. Der Pflug wurde von einem oder zwei Gespann Ochsen mit dem Joch (ahd. joh, ags. geoc) auf der Stirn gezogen. Zur Bedienung dienten zwei Mann: der Pflüger (arator, ags. yrpling), meist wohl ein Knecht, der den Pflugsterz handhabte (lat. stivarius, ags. sulhhabbere), und der Treiber, gewöhnlich ein Knabe, der mit einem langen Stachelstock (ahd. gart m., ags. gād f., gādisen n.) die Tiere antrieb. (S. die Abb. aus dem ags. Kalendarium

des II. Jhs., Taf. 1,1.) Für die Handhabung des Pflugs begegnen im Ags. die Ausdrücke wegan 'bewegen' und þÿn 'drücken' (Rätsel 22, 5). Das Antreiben der Zugochsen hieß ahd. triban (Graff 5, 481 'minari), and. driban (Gallée Vorstud. 417 'minare'), ags. drifan; daneben ahd. menno 'mino', menita 'minavit' (Graff 2, 771), Lehnwort aus afrz. mener, it. menare, lat. minare 'durch Schreien und Prügeln antreiben, besonders das Vieh'. Eine lebhafte Schilderung von seinem, harten Tagewerk entwirft der unfreie Ackerknecht in Elfrics Colloquium (WW. 90): wie er bei Tagesanbruch in jedem Wetter hinaus muß, wie er die Ochsen aufs Feld treiben und vor den Pflug spannen, Schar und Sech am Pflug befestigen und dann mit Hilfe eines Knaben, der mit dem Stachelstock die Ochsen anspornt und vor Kälte und Schreien ebenso heiser ist wie er selbst, den ganzen Tag über einen vollen Acker oder mehr umpflügen muß.

§ 34. Zum Zerkleinern, Auflockern, Vermischen und Ebnen des vom Pfluge umgebrochenen Bodens, zur Zerstörung der Unkräuter und zur Unterbringung der Saat diente die schon aus der idg. Urzeit stammende Egge (s. d. und oben § 6), die im MA. vielfach dreieckig gewesen zu sein scheint und mit eisernen Zähnen versehen

Die westgerm. Sprachen haben den alten idg. Namen bewahrt: ahd. egida f., and. egitha, egida st. sw. f., awfries. eyde, ags. egepe, egpe swf.; die nordischen haben eine andere Benennung: anord. harfr, herfi, dän. harv, schwed. harf sb., harfva vb.

§ 35. Der Sä man n (got. saiands, saijands, anord. sāð-maðr, ags. sædere, săwere, sawend, ahd. saio, sāāri) trug, wie noch heute, einen Sack oder ein Tuch (s. Abb. z. 'Pflug'), aus dem er die Saat (got. -sēps f., anord. sāð, sæði n., ags. sæd n., as. sād n., ahd. sāt f.) aufs Feld streute. Das Säen heißt ags. s@wet n.

Die Saatzeit (anord. sãð-tið, -timi, ags. sæd-tima m. oder seo tid as s@wetes) war in Deutschland und England für die Winterfrucht der September oder Oktober, für die Sommerfrucht der März (Heyne Hausaltert. II 47, A. 95). In nassen Jahren. konnte die Wintersaat in manchen Gegenden infolge von Regengüssen und Über

schwemmungen überhaupt nicht vorgenommen werden, sondern man mußte die Aussaat bis zum Frühjahr verschieben. So heißt es in Einhards Annalen z. J. 820 (MGS. 1, 207): In quibusdam vero locis de inundatione fluminum, aquis in plano stagnantibus, autumnalis satio ita impedita est, ut paenitus nihil frugum ante verni temperiem seminaretur. Und ähnlich schlimm lautet der Bericht fürs folgende Jahr 821 (ib. 208): Autumnalis satio iugitate pluviarum in quibusdam locis impedita est.

§ 36. Auf Dorffluren mit Gemenglage wurde die Bestellung der Äcker wegen. Mangels an Zufahrten zu den einzelnen Ackerparzellen und des damit zusammenhängenden Flurzwangs (s. d.) von sämtlichen Markgenossen gleichzeitig vorgenommen. Wer nach Aufgehen der Saat noch eine Egge über das Ackerland eines andern schleppte oder mit einem Wagen darüber fuhr, wurde nach der Lex Salica 34, 2 wie nach der Lex Ribuaria 44 (MGLeg. 5, 235) mit einer beträchtlichen Geldbuße bestraft.

§ 37. Die Feldfrucht heißt ags. wastm, dazu wæstmian 'Früchte tragen', wastmbære fruchtbar' ua.; ein Miẞwachs ist unwæstm.

§ 38. Für die Ernte gibt es in den altgerm. Sprachen drei bis vier Benennungen: I. got. asans f., ahd. aran, arn, mhd. erne f., mnd. arn, arne, erne f., ags. -ern; dazu das Verbum ahd. as. arnon 'ernten'; 2. as. beo, bewod n., afries. be, zu būan ‘bauen'; 3. ags. gerip n., dazu vb. ripan 'ernten'. Auch ahd. herbist m., ags. hærfest m., anord. haust n. 'Herbst' scheint ursprünglich 'Ernte' bedeutet zu haben (zu lat. carpere 'pflücken', gr. xapós 'Frucht'). Die Ernte fand im August statt, der daher seit alten Zeiten als 'Erntemonat' bezeichnet wird: ahd. Aranmanōth schon bei Einhart (V. Car. 29), ags. Rugern 'Roggenernte'.

§ 39. Das Getreide wurde in altgerm. Zeit nicht mit der Sense gemäht, sondern, wie in der idg. Urzeit (oben § 8), mit der Sichel (s. d.) geschnitten. Dabei wurden die Halme, wie auf den Abbildungen Taf. I, Nr. 2. 4 (vgl. auch Heyne Hausaltert. II Fig. 11) deutlich zu erkennen ist, unterhalb der Ähren in Büscheln gepackt und etwa in halber Höhe abgeschnitten, so daß lange

Stoppeln stehen blieben. Die Sense (s. d.) war dem Grasschnitt vorbehalten. Die geschnittenen Kornbüschel wurden vom Schnitter hinter sich auf den Boden gelegt, um dann entweder in Garben zusammengebunden (Heyne II Fig. 11) oder in größeren ungebundenen Schwaden (Taf. 1, 2) mittels einer Gabel auf den Wagen verladen zu werden. Das mit der Hand zusammengeraffte und geschnittene Kornbüschel hieß ursprünglich ahd. garba, and. garba f., eigtl. 'Handvoll', glossiert 'manipulus' (zur Wz. von nhd. grapsen, ne. grabble 'raffen, ergreifen'), die aus den Büscheln zusammengestellte Garbe hieß ahd. scoub m., and. skōf m., ags. sceaf m., anord. skauf n. Aber schon in ahd. Zeit nahm garba die Bedeutung 'Garbe' an (Steinm. -Siev. III 280, 15 manipulus, colligatura: garba) und verdrängte scoub, das sich auf die Bedeutung 'Strohbund, wisch, Bündel' beschränken mußte (mhd. schoup nur noch so), während für das geschnittene Büschel der Ausdruck ahd. sicheling aufkam, der aber auch bald im Sinne von 'Garbe' gebraucht wurde (Steinm.-Siev. III 200, 50 manipulus: garba vel sicheling; s. auch Heyne Hausaltert. II 52 f.).

§ 40. Das Schneiden und Einbringen des Getreides wurde, wie die Bestellung des Landes (§ 36), auf Dorffluren mit Gemenglage von der ganzen Markgenossenschaft gleichzeitig besorgt; ob dabei jeder für sich erntete, wie es heute in Gegenden, wo noch Flurzwang herrscht, meist geschieht, oder ob das Schneiden des Korns auf der ganzen Feldmark von der Markgenossenschaft gemeinsam vorgenommen wurde, so daß alle für einen und einer für alle arbeiteten, ist nicht sicher; die beiden ags. Miniaturen Taf. 1, 2 u. Heyne II Fig. II scheinen für gemeinsame Ernte zu sprechen, wenn dabei nicht an ein Herrengut gedacht ist. Das Einfahren des Korns besorgte aber wohl jeder für sich, wozu man in den meisten Gegenden sich eines zweirädrigen Wagens (lat. carrus) bediente; so bei den Angelsachsen nach dem Zeugnis von Taf. 1, 2; vgl. auch Lex Sal. 27, 8; 34, 2 und Lamprecht DWL. I 9, A. 5; doch wird LSal. 34,2 Cod. 3 und LRib. 44 neben dem zweirädrigen auch der vierrädrige Wagen (carruca) in Verbindung mit dem Ackerbau erwähnt.

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