Page images
PDF
EPUB

Notker Labeo und seine Schule weiter

aus.

§ 3. Mit ihrer Hilfe wurden die sich in festen musikalischen Tonhöhen bewegenden Hebungen und Senkungen des Rezitators oder Vorlesers nebst den Längen, Kürzen und Pausen bestimmt. Diese Stimmbewegungen hielten sich im Umfange gewöhnlich einer Quarte oder Quinte; am Anfang erhob sich in der Intonation die Stimme zu einem mittleren Tone (Mese, Tonus currens), Ende der einzelnen Abschnitte beugte sich die Stimme je nach der Schwere der Interpunktion (Cadenz); zwischen Intonation und Cadenz hob sich die Stimme nur bei Akut, senkte sich bei Gravis und hob sich mit nachfolgender Senkung beim Circumflex, um aber gleich wieder zum Tonus currens zurückzukehren.

§ 4. Solche Rezitation war im ausgehenden Altertum allgemein verbreitet, besonders im Orient, und wurde durch die Psalmodie, die Hauptgesangsform des frühen Christentums, überallhin vermittelt. Sie hat sich noch erhalten außer in der römisch-katholischen Kirche im sogenannten Altargesang der Protestanten. Sie liegt auch den Antiphonen zugrunde, die oft nichts weiter sind, als verschnörkelte Psalmodie, wo besonders die allzu monotonen Tonus-currens-Reihen durch reichlichere Tonbewegungen (Koloratur) reizvoller gemacht wurden. S. auch Neumen.

O. Fleischer Neumenstudien, bes. S. 49ff.I, Leipzig 1895. Ders. Das Accentuationssystem Notkers, bes. in seinem Boethius ZfdPh. 1883. O. Fleischer.

Achat. A. Natur- und Sprachgeschichtliches. § I. Der A., engl. agate, besteht meist aus Abarten von Chalcedon, also aus Ablagerungen von mikrokristallinischer K i e selsäure, die in dünnen, konzentrischen Schichten von verschiedener Farbe und Dichtigkeit geordnet sind. Er stammt in der Regel aus sogen. Achatmandeln, rundlichen, ovalen oder nierenförmigen Massen, die in Blasenräumen der Gesteine, besonders des Melaphyrs, aus wässeriger Lösung ausgeschieden wurden. Völlig verschieden vom A. ist der Ga gat (s. d.), der wegen

Hoops, Reallexikon. I.

des anklingenden Namens schon im MA. gelegentlich mit ihm verwechselt wurde (s. Murray NED. sv. achate).

§ 2. Ein einheimischer N a m e des von den Germanen seit spätrömischer Zeit für Schmucksachen verwandten Minerals (§ 3) ist nicht überliefert. Erst im späteren MA. tritt der von dem Flusse Achates in Sizilien entlehnte griech. -lat. Name achates (s. Nies b. Pauly-Wissowa) in den germ. Sprachen als Fremdwort auf: mhd. achat, me. achate (etwa 1230 in der Ancren Riwle). Im Früh-MA. wird er einmal als achates an einer auf Solinus beruhenden Stelle der früher dem Beda zugeschriebenen latein. Ascetica Dubia erwähnt (s. Garrett Prec. Stones in OE. Lit. 7; vgl. auch 36, 36 u. Anm.). Hoops.

B. Kunstgeschichtliches. § 3. Der A. wurde in spätrömischer und der Völkerwanderungszeit nicht selten zu Einlagen in Ringen und andern Schmuckgegenständen verwendet. Perlen aus A. gibt es auch aus derselben Zeit in den großen Perlenfunden. B. Schnittger.

Ackerbau.

A. Vorgeschichtliche Zeit § 1-18. B. Römerzeit § 19-26. C. Frühmittelalter. I. Süden § 27-45. (Hoops.) II. Norden § 46-67. (Guðmundsson.)

A. Vorgeschichtliche Zeit. § 1. Zahlreiche Ackerbauausdrücke aus indogermanischer Urzeit, die durch die vergleichende Sprachwissenschaft erwiesen werden, Ausdrücke für Getreidearten, Pflug, Furche, Sichel, Spreu, Mühle, schroten, Mehl ua., zeigen mit absoluter Sicherheit, daß die Indogermanen bereits Ackerbau trieben. Und dieses Ergebnis der Sprachwissenschaft wird durch archäologische Funde von Ackergeräten, Mahlsteinen und Körnern aus fast ganz Europa von der jüngeren Steinzeit an schlagend bestätigt, so daß das Vorhandensein von Ackerbau in der neolithischen Ära einerseits und im Indogermanenzeitalter anderseits schlechterdings nicht mehr bezweifelt werden kann und tatsächlich von Sprachund Altertumsforschern heute allgemein anerkannt wird.

§ 2. Und dieser indogerm. Ackerbau war keineswegs mehr so ganz primitiv.

2

Die alljährliche Auflockerung des urbaren. Landes zum Zweck der Ackerbestellung geschah nicht mehr bloß mit der Hacke, sondern schon mit Hilfe des Pflugs. Der alte europ. Name desselben: gr. ἄροτρον, kret. ἄρατρον, lat aratrum, ir. arathar, aisl. arðr, lit. árklas aus *ártlas, akslav. oralo, ralo aus *ordlo für *ortlo <*ortro (Brugmann Grdr. I S. 450; Much Mitt. d. Anthrop. Ges. Wien 38, 8; 1908), armen. araur; idg. Grdf. *aratrom, *arotrom oder *arǝtrom (zum uralten Vb. gr. apów, lat. arão, air. airim, ags. erian, akslav. orati, lit. árti 'pflügen') hat allerdings unter den asiat. Sprachen nur im Armenischen eine Entsprechung, ist aber des Ablauts wegen sicher indogermanisch. Und selbst wenn er dem Indoiranischen ursprünglich nicht eigen gewesen wäre, so würde er doch jedenfalls in eine weit entlegene, der Urzeit sehr nahestehende Epoche der idg. Kulturgeschichte zurückreichen. Er hat eine Parallele in der Gleichung: nhd. furche, ahd. furuh f., ae. furh 'Furche'; lat. porca Ackerbeet'; abret. rec, air. rech, kymr. rhych 'Furche' aus *(p)rkā; armen. herk 'frisch geackertes Brachland'; sie ist ebenfalls den europ. Sprachen mit dem Armen. gemein, hat gleichfalls Ablaut und ist also ebenso alt wie *aratrom 'Pflug'. Ein weiteres Glied in dieser Kette ist die gemeineurop. Benennung der Pflugschar: gr. bevis aus *uoghsnis; lat. vomer, vomis (g. -eris) aus *vosmis, älter *vocsmis <*uoguhsmis; ahd. waganso, mhd. wagense, nhd. bair. wagensun, schweiz. wägese, anord. vangsni m. für *vagnsi, alle 'Pflugschar'; preuß. wagnis m. 'Pflugmesser, Sech'.

§ 3. Danach ist kein Zweifel mehr möglich, daß der Ackerbau der Indogermanen schon vor der Trennung in Asiaten und Europäer das Stadium des Hackbaus überwunden hatte und als Pflugbau betrieben wurde. Auch Schrader, der noch in der 2. Aufl. seiner Sprachvergleichung und Urgeschichte (1890, S. 412) von einem Ackerbau der Indogermanen nicht viel wissen wollte, der in seinem Reallexikon der idg. Altertumskunde (1901, S. 10 f.) ihnen nur einen primitiven Feldbau nach Art von Hahns Hackbau glaubte zusprechen zu können, hat sich in der wesentlich verbesserten 3. Aufl. des ersteren Werks (1907,

II 208) den Ergebnissen meiner Waldbäume und Kulturpflanzen (1905, S. 345 ff. 499 ff) in diesem Punkte voll und ganz angeschlossen und meint auch, es könne ,,kein Zweifel bestehen, daß jener prähistorische Ackerbau bereits mittels des Pfluges ausgeübt wurde, und nicht etwa ein bloßer Hackbau gewesen ist". Dieses Ergebnis

darf darum wohl als sichere Erkenntnis der idg. Sprach- und Altertumswissenschaft registriert werden.

§ 4. Über die Gestalt des idg. Pfluges geben uns eine Reihe wichtiger archäologischer Funde zuverlässigen Aufschluß. Das Felsenbild von Bohuslän im westl. Schweden (jüngere Bronzezeit), das einen von einem Ochsen paar gezogenen Hakenpflug darstellt, der vortrefflich erhaltene hölzerne Hakenpflug von Døstrup in Jütland (Bronzezeit od. älteste Eisenzeit) mit langer Deichsel und einem Pflock zum Anspannen von Tieren, endlich der aus einer Eichenwurzel hergestellte prähistorische Hakenpflug von Papau bei Thorn in Westpreußen von etwa 3 m Länge, der ebenfalls zur Vorwärtsbewegung durch Zugtiere bestimmt war, machen es zur Gewißheit, daß der indogermanische Urpflug ein hölzerner Hakenpflug war, der von Ochsen gezogen wurde. S. Art. 'Pflug' nebst Abbildungen u. vgl. Hoops Waldb. u. Kulturpfl. 499 ff. und die zustimmenden Äußerungen Schra ders Sprachvgl. u. Urgesch. 3 II 209.

§ 5. Ob die Indogermanen den Acker schon dün gten oder sich auf die natürliche Tragfähigkeit des Bodens verließen, ist zweifelhaft. Aus dem Vorhandensein indogermanischer Ausdrücke für Mist ist noch nicht mit Sicherheit auf die Verwen

dung des Mistes als Düngmittel zu schließen. Jedenfalls kennen aber die europ. Indogermanen die Düngung schon seit den ältesten historischen Zeiten (s. Art. 'Düngung' und vgl. Schrader Reallex. udW.), und es ist sehr beachtenswert, daß in dem schweizerischen Pfahlbau von Robenhausen aus der Steinzeit 6 Fuß tief unter dem Torf Lagen von Ziegen- und Schafdünger gefunden wurden, die nach Heer (Pflanzen d. Pfahlb. 7),,ohne Zweifel für die Düngung der Felder aufbewahrt"

waren.

§ 6. Zur weiteren Auflockerung, Zerkleinerung und Ebnung des umgepflügten Bodens und zur Unterbringung der Saat bediente man sich schon in der idg. Urzeit der Egge (s. d.), deren Zähne ursprünglich jedenfalls von Holz, später von Eisen waren, und die gleich dem Pfluge von Ochsen gezogen wurde. Eine wichtige Rolle nicht nur bei der Urbarmachung des Bodens (s. Rodung), sondern auch bei der weiteren Bodenbearbeitung hat ferner von jeher die Hacke (s. d.) gespielt, die in verschiedenen Formen von der jüngeren Steinzeit an in zahlreichen Funden belegt ist, und für die es ebenso wie für die Egge einen alten idg. Namen gibt.

§ 7. Für Säen und Sa a t besteht eine gemeineuropäische, weit verzweigte Wz. sei: lat. sero für *si-so, prt. se-vi; kymr. heu 'säen', hil 'Same', ir. sil dss.; got. saian, anord. sā, ags. sāwan, ne. sow, as. sāian, nnd. saien, ahd. sāen aus *sājan, mhd. sajen, sæn, nhd. säen usw.; lit. seju, seti ‘säen'; akslav. seją dss. Dazu das Subst. lat. semen; ahd. samo; preuß. semen, lit. simů; akslav. seme 'Same'.

§ 8. Das Ernten des Getreides geschah ursprünglich, wie noch heute vielerwärts, mit der kurzen Sichel (s. d.), für die mindestens zwei alte Namen erhalten sind. Den europ. und asiat. Indogermanen gemein ist die Gleichung: anord. mnd. nnd. le 'Sense', gr. latov 'Sichel', aind. laviş m. Gemeineurop. ist: gr. apa 'Sichel', lat. sarpere 'abschneiteln', ir. serr 'Sichel', lett. sirpe, akslav. srupů, russ. serpu dss. Eine dritte Gleichung ist vielleicht lat. falx 'Sichel, Sense, Winzermesser' und lit. dalgis, lett. dalgs, preuß. doalgis 'Sense' (anders jetzt Walde EWb. 2 sv. falx.) Da von diesen drei alten Namen im Griechischen, Lateinischen und in den baltischen Sprachen zwei nebeneinander stehen, wird es schon in der idg. Urzeit mindestens zwei verschiedene Arten Sicheln gegeben haben. Archäologische Funde von Getreidesicheln aus Stein und Bronze in verschiedener Form und mit verschiedener Schäftung bestätigen dies (s. S. Müller Urgesch. Eur. 104 f. u. die Abbildungen zu unserm Art. 'Sichel'). Wenn die Ausdrücke in den balt. Sprachen heute den Bedeutungsgegensatz 'SichelSense' zeigen, so ist daraus nicht unbedingt

zu folgern, daße Indogermanen bereits die Sense mit langer Klinge und langem Stiel kannten.

Für Mähen besteht das alteurop. Wort: gr. duw; lat. metere; korn. midil 'messor', akymr. medel, air. meithel 'eine Schar Mäher'; ahd. māen aus *mājan, mhd. mæjen, nhd. mähen, ags. mawan, ne. mow 'mähen'. Dazu das Subst. gr. autós, ahd. mād n., nhd. mahd f., ags. mæp n. ‘Ernte'. Der Begriff des Mähens mit der Sense, der den Wörtern im Germ. heute anhaftet, ist jedenfalls eine jüngere Entwicklung.

$9. Daß eine besonders hergerichtete, gehärtete Tenne schon in der Urzeit bekannt war, zeigt eine alte, dem German. und Griech. gemeinsame Benennung: gr. ἀλωά, άλως f., jon. αλωή aus *ἀλωρά; aschwed. lo aus *lowa- (woher finn. luuva 'Tenne'). Auch für Dreschen haben das Germanische und Griechische eine übereinstimmende alte Bezeichnung: germ. preskan, gr. tpi3w aus einer idg. Grdf. *trzgo (Thurneysen KZ. 30, 352). Da die Grundbedeutung von germ. preskan 'trampeln, treten' war, wie die Bedeutung der entlehnten roman. Ausdrücke beweist (s. Falk-Torp bei Fick4 III 192 sv. und besonders die vortrefflichen Darlegungen Meyer-Lübkes WuS. 1, 214 ff.), so ist die gewöhnliche griechische Methode des Austretens der Körner durch das Vieh, das auf der Tenne umhergetrieben wurde, schon in der idg. Urzeit üblich gewesen. Wahrscheinlich war daneben aber auch das Ausdreschen durch Menschenhand mit dem Dreschflegel in Gebrauch; jedenfalls weist die übertragene Bedeutung 'schlagen' für gr. ἀλοᾶν 'dreschen' darauf hin, daß dies Verfahren in Griechenland neben dem andern bekannt war (s. Blümner Technol. u. Terminol. I 7), und die lat. Ausdrücke baculis excutere, perticis flagellare, fustibus tundere zeigen, daß wir uns unter dem Dreschflegel ursprünglich einen einfachen Knüppel vielleicht mit dickerem Ende vorzustellen haben.

§ 10. Um das gedroschene und zusammen gefegte Korn von der Spreu zu sondern, bediente man sich schon in der Urzeit des Windes, wie eine alte, dem Lateinischen, Germanischen und

Baltisch-Slavischen gemeinsame, mit lat. ventus zusammenhängende Wortsippe beweist: ahd. wanna f. 'Getreideschwinge, -wanne' (aus *wandnon), das wegen der synonymen Nebenform wint-wanta swf. (aus *wandon) mit lat. vannus f. 'Getreideschwinge' (aus *uantnos) urverwandt, nicht daraus entlehnt ist (vgl. unten § 43); dazu mit andrer Ablautsstufe lat. ventilāre 'in der Luft schwingen, Getreide reinigen', ventilabrum 'Worfelschaufel', aber urspr. offenbar 'Becken zum Kornschwingen'; got.dis-winpjan 'auseinanderwerfen, Atxuav', ahd. winta 'ventilabrum', ags. windwian 'ventilare' usw. (s. § 43); lit. větau, větyti 'Getreide worfeln'; serb. vijati 'worfeln', poln. wiejaczka 'Worfelschaufel' (Walde EWb. sv. vannus). Ob das von den Indogermanen zum Reinigen des Getreides benutzte Gerät eine Worfelschaufel oder eine Schwinge war, läßt sich nicht sicher entscheiden; aber wahrscheinlich ist das Schwingen als das langwierigere und primitivere Verfahren das ältere. Darauf weist auch eine andere hierher gehörige urzeitliche Gleichung hin: gr. vaixλov (neben λεῖχνον, λίκνον) Getreideschwinge; lit. někóju, lett. někát 'Getreide in einer Mulde schwingen' (Prellwitz EWb. unt. Xixuós; Schrader Sprachvgl. u. Urgesch. 3 II 203).

§ II. Für die Spreu bestehen zwei alte idg. Ausdrücke; der eine ist: lit. pelai pl., preuß. pelwo; akslav. plêva, russ. peleva, polóva; ahd. spelta, spelza; lat. palea; aind. palavas, alle 'Spreu' bedeutend, aber urspr. vielleicht die absplitternden Ährchen der Gerste und Spelzweizen. Eine zweite Gleichung ist griech. v, got. ahana f., ahd. agana f. mit Grdbd. 'Granne', wie alat. agna (aus *acna) Ähre und andere wurzelverwandte Bezeichnungen für Grannen und Ähren zeigen: lat. acus (gen. aceris) 'Granne, Spreu'; got. ahs n. (g. ahsis), ae. ear aus *ahur, ahd. ehir, ahir n. (germ. *ahuz, ahs); ferner lit. akütas 'Granne'.. Für Korn gilt das gemeineurop. Wort: got. kaúrn, anord. ags. ahd. nhd. korn n.; preuß. syrne; akslav. zrůno; lat. grānum; ir. grān.

§ 12. Die altertümlichste Methode zur Zubereitung des Korns als Nahrungsmittel war wohl das Rösten auf Steinen. war schon in der Steinzeit üblich. In der

Es

von Chwoiko ausgegrabenen neolithischen. Ansiedlung am mittleren Dniepr fanden sich ganze Schichten gerösteter Weizenkörner (Bericht b. Schrader Sprachvgl. u. Urgesch. II 187); auch die in der neolithischen Station Butmir bei Sarajevo in Bosnien gefundenen verkohlten Weizenund Gerstenkörner waren augenscheinlich langsam geröstet (C. Schröter bei Radimský u. Hoernes, Die neolith. Station v. Butmir I 39 f., Wien 1895). Die Bedeutung, die das Rösten des Getreides im Leben und namentlich im Kultus der klassischen Völker noch in späterer Zeit hatte, und das hohe Alter, das diesem Brauch nach der volkstümlichen Überlieferung zukam, lehren uns, daß er auch den Indogermanen wohlbekannt war. Usibus admoniti flammis torrenda dederunt (farra), sagt Ovid (Fast. II 521), und der römische Volksglaube führte die Einbürgerung des Getreideröstens auf Numa zurück: Numa instituit.... far torrere, quoniam tostum cibo salubrius esset; statuendo non esse purum ad rem divinam nisi tostum (Plinius Nat. Hist. 18, 7).

....

Der Grund des Röstens war übrigens nicht nur, daß das Korn dadurch als Speise angenehmer und verdaulicher wurde: bei Getreidearten wie Gerste und Spelzweizen, wo die Körner fest in den Hülsen haften, war es gleichzeitig ein Mittel zur leichteren Loslösung derselben aus den Spelzen. Daher kommt es, daß das Rösten bei den Griechen und Römern später vornehmlich, wenn nicht ausschließlich, bei Gerste und Spelz üblich war.

§ 13. Das älteste Verfahren, die Getreidekörner zur weiteren Verwendung in Mehl zu verwandeln, war vielleicht das Zerstampfen im hölzernen Mörser (Meringer WuS. 1, 165). Daß es von den Indogermanen allgemein geübt wurde, ergibt sich aus der überaus verbreiteten uridg. Gleichung: gr. tíos 'stampfe, schrote', táv 'enthülste Gerste'; lat. pinso 'zerstoße, zerstampfe', pistus 'zerstampft', pistor 'Müller, Bäcker'; anord. fis, ahd. fesa 'Spreu, Spelze, Veese'; akslav. pišą 'stoße', pišeno 'Mehl'aind. pináşti 'zerreibt, zerstampft', pistás 'gemahlen', piştám n. 'Mehl'; avest. pišantadj. 'zerstoßend', pištra- m. 'Mehl' (eig.

'Ausgequetschtes'), npers. pām. pist 'Mehl'. Die römische Überlieferung erinnert sich noch einer grauen Vorzeit, wo man den Gebrauch der Mühlen nicht kannte und das Korn im Mörser zerstampfte: quia apud maiores nostros molarum usus non erat, frumenta torrebant et ea in pilas missa pinsebant, et hoc erat genus molendi, unde et pinsitores dicti sunt, qui nunc pistores vocantur (Servius ad Aen. I 179). Weiteres in der grundlegenden Abhandlung von Meringer Die Werkzeuge der pinsere-Reihe u. ihre Namen (WuS. 1, 3 ff.; 1909); vgl. auch 'Mühle' § 6.

§ 14. Außer dem Zerstampfen der Getreidekörner kannten die Indogermanen aber auch schon das Mahlen mittels eines Mühlsteins. Die hierher gehörige Wortreihe ist allerdings nur den europ. Sprachen und dem Armenischen gemein, wegen ihrer weiten Verbreitung, ungemein reichen Entfaltung und wegen des Ablauts aber sicher uridg.: gr. uóλ 'Mühle', μóλ zerreibe, zermahle, mahle'; lat. molere 'mahlen', mola 'Mühlstein'; ir. melim, kymr. malu 'mahle'; got. ahd. malan, aisl. mala 'mahlen', ahd. as. melo, aisl. mjol Mehl'; lit. malù, málti 'mahlen'; akslav. melją 'mahle'; alb. miel 'Mehl'; armen. malem 'zerstoße'. Die sprachlichen Zeugnisse finden wiederum ihren Rückhalt an den archäologischen: Mahlsteine sind in einem großen Teil Europas schon aus neolithischer Zeit nachgewiesen.

§ 15. Noch eine andre gemeinidg. Reihe sei hierher gestellt, deren Grundbedeutung vielleicht speziell 'Handmühle' war: got. -qaírnus, anord. kvern, ae. cwyrn, afries. as. quern, ahd. quirn 'Handmühle'; air. brō (gen. brón) 'Mühlstein, Handmühle', nkymr. breuan 'Handmühle', korn. brou 'Mühlstein'; lit. gìrna dss.; akslav. žrůny 'Mühle', nslov. žrniti 'mit der Handmühle mahlen'; armen. erkan 'Mühlstein, Handmühle'; aind. grāvā m. ‘Stein zum Auspressen des Somasaftes' (Brugmann Grundriß I S. 327. 606).

§ 16. Das durch Stampfen oder Mahlen gewonnene Mehl wurde dann gesiebt. Auch das Sieb gehört zum Inventar des idg. Haushalts: lat. cribrum 'Sieb'; ir. criathar, akymr. cruitr, korn. croider, bret. croezr 'Sieb'; ags. hrid(d)er 'grobes Sieb',

ahd. ritera; vgl. 'Sieb'. Die gerösteten und gestoßenen Gerste- und Spelzkörner wurden wohl auch durch Sieben von den Spelzen gesäubert.

§ 17. Daß die Indogermanen aus Mehl bereits Brot zu backen verstanden, wird durch die idg. Gleichungen lit. düna 'Brot', aind. dhānās f. pl. ‘Getreidekörner', avest. dānav- f. 'Getreidekorn', mpers. dān, npers. dāna ‘Korn'; ahd. flado m. 'breiter Kuchen', nhd. fladen, ndl. vlade, me. flathe 'Fladen' und gr. háðavov ‘Kuchenbrett'; lat. libum 'Kuchen, Fladen' (aus sklibhom) und got. hlaifs, ags. hläf, ahd. hleib, nhd. laib 'Brot', mhd. lebekuoche 'Lebkuchen' bewiesen, wobei wieder die archäologische Tatsache von Bedeutung ist, daß es in den Schweizer Pfahlbauten der Steinzeit schon drei Brotarten gab: am häufigsten findet sich ein Weizenbrot mit stark zerriebenen Körnern; daneben begegnet eine gröbere Sorte Weizenbrot, bei der die Körner fast alle ganz geblieben sind; endlich ein Hirsebrot mit Beimischung einzelner Weizen körner und Leinsamen (Heer Pflanz. d. Pfahlb. 9. Hoops Waldb. u. Kulturpfl. 296). Über die Zubereitung des Brotes in der Urzeit s. Art. 'Brot', ferner Hirt Indogm. 295 f. 662; Schrader Sprachvgl. u. Urgesch. 3 II 245.

§ 18. Die Zahl der von den Indogermanen und von den Germanen in vorrömischer Zeit gebauten Kultur. pflanzen war schon eine ziemlich beträchtliche. Sie kannten nicht nur die wichtigsten Getreide: Gerste, Weizen, Hirse, Hafer, sondern bauten auch eine Anzahl Gemüse wie Bohne, Erbse, Rübe, Lauch und Kürbis, hatten als Gespinstpflanze den Flachs, als Ölpflanze den Mohn. und waren sogar mit den ersten Anfängen der Obstkultur vertraut. Das Weitere s. unt. 'Kulturpflanzen'. Das dort Gesagte bestätigt durchaus den Eindruck, den wir aus der obigen Zusammenstellung technischer Ackerbaugleichungen der Indogermanen gewinnen: daß der Landbau schon in der Zeit des engeren Zusammenlebens der idg. Völker eine nicht geringe Rolle für die Volksernährung gespielt haben muß.

Hoops Waldb. u. Kulturpfl. 283—482 (1905), mit ausführlichen Literaturangaben. Hirt

« PreviousContinue »